NEWS UND TRENDS ANFORDERUNGEN UND GESETZLICHE PFLICHTEN IM GERÄTE- UND MASCHINENBAU MATERIAL COMPLIANCE IM BLICK? Katrin Schneikert ist spezialisiert auf die Ent wicklung und Implementierung von Compliance- und Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen und Co-Founder von NovaLoop Mit der CE-Kennzeichnung gemäß Maschinenverordnung bestätigt der Hersteller, dass seine Maschine mit der Verordnung konform ist. Dies ist Teil der Product Compliance, die ein Unternehmen für seine Produkte durchführen muss. Neben einer Vielzahl von CE-Richtlinien und Verordnungen spielt die Material Compliance eine zentrale Rolle, vor allem da Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer wichtiger werden. Wir sprechen mit Expertin Katrin Schneikert von NovaLoop über die wichtigsten Aspekte, die Sie kennen sollten. NICOLE STEINICKE: Frau Schneikert, in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für Umwelt- und Gesundheitsrisiken erhöht. Um den damit verbundenen komplexen Anforderungen gerecht zu werden, müssen Unternehmen umfassende Kenntnisse über nationale und internationale Vorschriften im Bereich Material Compliance besitzen. Doch was genau versteht man eigentlich unter Material Compliance? KATRIN SCHNEIKERT: Material Compliance bezeichnet die Einhaltung aller relevanten Vorschriften, die den Einsatz von Materialien und Stoffen beispielsweise in Produkten betreffen. Das kann durch Gesetze und vergleichbare Vorschriften begründet sein oder aber auch durch kundenvertragliche Anforderungen. Entsprechende Regelungen gibt es inzwischen weltweit und während manche sehr produkt- und branchenspezifisch ausgelegt sind, gelten andere ganz allgemein und branchen unabhängig. NICOLE STEINICKE: Die Umsetzung der Material Compliance in Unternehmen ist herausfordernd. Die rechtlichen Anforderungen werden immer anspruchsvoller und das erforderliche Fachwissen spezifischer und komplexer. Was bedeutet dies für die gesetzlichen Vorschriften, die ein Geräte- und Maschinenhersteller berücksichtigen muss? KATRIN SCHNEIKERT: So unterschiedlich Geräte und Maschinen in ihrer Funktion und Gestaltung sind, so unterschiedlich stellt sich auch das Anforderungsprofil der Material Compliance dar. In den meisten Fällen ist in der EU die Reach-Verordnung relevant, teils kommen auch die Anforderungen der RoHS- Richtlinie hinzu. Aber auch noch weniger allgemein bekannte Vorschriften wie beispielsweise die POP-Verordnung oder die F-Gas-Verordnung können neben zahlreichen weiteren Regelungen zum Tragen kommen. Wichtig ist daher in einem ersten Schritt immer, dass man sich einen Überblick über die 64 INDUSTRIELLE AUTOMATION 2024/06 www.industrielle-automation.net
NEWS UND TRENDS für das eigene Produkt tatsächlich relevanten Anforderungen verschafft – und diesen Überblick aktuell hält. Material Compliance ist sehr dynamisch und ohne einen genauen Blick auf Entwicklungen rutscht man schnell in eine nicht empfehlenswerte re-aktive Handhabung der Pflichten. NICOLE STEINICKE: Was brauchen Unternehmen also, um die erforderlichen Vorgaben effizient umzusetzen? KATRIN SCHNEIKERT: Zur Material Compliance gehören neben der Beachtung von Stoffverboten auch Melde- und Kennzeichnungspflichten. Ohne ein effektives Material-Compliance- Management, das die Identifikation und Kontrolle der verwendeten Substanzen umfasst, hängt die Umsetzung mehr oder weniger vom Zufall ab. Da Material Compliance kein „nice to have“, sondern eine Marktzutrittsvoraussetzung ist, braucht es für eine entsprechende Handhabung ein gutes Verständnis von Anforderungslage und Produkt. Grundvoraussetzung sind darüber hinaus eine solide Datenstruktur, gute Lieferkettenkommunikation und ein effizientes Informationshandling. Ohne entsprechende Prozesse ist das kaum umsetzbar. NICOLE STEINICKE: Das klingt nach einem hohen Aufwand. Wie wichtig ist Material Compliance für die Erfordernisse des Marktes, in dem Unternehmen ihre Produkte vertreiben? KATRIN SCHNEIKERT: Ganz primär ist Material Compliance auch immer eine Frage des Risiko-Managements, das die Teilhabe am Markt erhält – sie dient in dieser Funktion vor allem der Vermeidung von Sanktionen wie etwa Bußgeldern oder Vertriebsverboten. Daneben stecken in einer effizienten und vor allem pro-aktiven Handhabung der Material Compliance aber auch häufig Chancen für das Unternehmen, die vom Innovationstreiber für das Produkt über Wett bewerbsvorteile bis hin zur schnelleren Erschließung neuer Märkte reichen. Auch ist sie immer wieder Gegenstand von Berichtspflichten der Unternehmen. Hier können die Verbesserungen z. B. im Zuge eines „Produkt-Detox“ auch nach außen transparent gemacht werden. NICOLE STEINICKE: Sicher ist es kein einfaches Unterfangen, alle Akteure zusammenzubringen. Was macht die Umsetzung daher neben den formellen Regularien so herausfordernd? KATRIN SCHNEIKERT: Zum einen werden die rechtlichen Anforderungen weltweit immer komplexer und das erforderliche Fachwissen spezifischer und anspruchsvoller. Auch dass Material Compliance ein „Querschnittsthema“ ist, in dem verschiedene Unternehmensbereiche eingebunden sind, stellt häufig eine Herausforderung dar. Und schließlich ist Material Compliance ein fortlaufender Prozess, der eine nicht zu unterschätzende stetige Anstrengung darstellt, die erforderlichen Informationen und Daten zu beschaffen, zu pflegen und zu nutzen. Dabei sollte man stets auf dem aktuellen Stand sein. So komplex das Thema Material Com pliance auch ist, sorgt es aber auch für Transparenz innerhalb der Wert schöpfungskette eines Produktes. Damit wissen Interessierte genau, in welchem Produkt welche Materialien in welcher Menge vorhanden sind. NICOLE STEINICKE, Chefredakteurin, Industrielle Automation NICOLE STEINICKE: Ökologische Aspekte werden in vielen Bereichen immer wichtiger. Spielt Nachhaltigkeit auch in einem Material-Compliance-Management eine Rolle? KATRIN SCHNEIKERT: Material Compliance ist eine Ausprägung der Nachhaltigkeit, die auf den Schutz von Ressourcen sowie der Umwelt und Gesundheit zielt. Die dringend notwendige Transformation von der linearen zur zirkulären Wirtschaft ist ohne stoffliche Bestimmungen undenkbar. Themen wie der Einsatz von Rezyklaten, die Handhabung im Recycling oder Möglichkeiten zur erneuten Nutzung erfordern eine immer MATERIAL COMPLIANCE IST EIN WICHTIGER BESTANDTEIL DER PRODUKTKONFORMITÄT WELTWEIT genauere Kenntnis von der stofflichen Zusammensetzung der Produkte, die letztlich über die Eignung für derartige zirkuläre Maßnahmen entscheidet. Die Nachhaltigkeit ist demnach einer der wichtigsten Treiber der Material Compliance. NICOLE STEINICKE: Was bedeutet das für das Miteinander zwischen Lieferanten und beispielsweise einem Erstausrüster? KATRIN SCHNEIKERT: Die Kommunikation entsprechender Materialinformationen in der Lieferkette ist ein Schlüsselelement für ein erfolgreiches Material-Compliance-Management. Die Informationsanforderungen reichen vom Vorhandensein bestimmter Stoffe über die geografische Herkunft von Material bis zu Hinweisen für die sichere Verwendung und Entsorgung. Ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen ist dafür hilfreich und erfordert häufig ein Umdenken, in dem Lieferanten als Compliance-Partner verstanden werden. Das fällt in OEM-Konstellationen häufig leichter als beispielsweise beim Einkauf von „Katalogware“ vom Distributor – und so vielgestaltig Lieferketten sind, so gilt auch hier: Eine „Onesize-fits-all–Lösung“ gibt es in der Material Compliance nicht. Dieses Interview wurde mit Frau Schneikert, Co-Founder der NovaLoop GmbH, in Kooperation mit IBF Solutions GmbH geführt. Bilder: Aufmacher Tanankorn Pilong – istock, Porträt NovaLoop www.ibf-solutions.com UNTERNEHMEN IBF Solutions GmbH Bahnhofstr. 8, A-6682 Vils E-Mail: office@ibf-solutions.com WEB-SEMINARE ZUM THEMA Überblick in die Welt der Material Compliance im Geräte- und Maschinenbau und Praxis empfehlungen rund um die Implementierung in Compliance Prozesse zu diesen Terminen: 26.11.2024, 25.02.2025, 27.05.2025, 16.09.2025 Nähere Informationen: bit.ly/SeminareIBF www.industrielle-automation.net INDUSTRIELLE AUTOMATION 2024/06 65
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