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INDUSTRIELLE AUTOMATION 6/2024

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INDUSTRIELLE AUTOMATION 6/2024

MESSE SPS

MESSE SPS MACHINE-LEARNING VERSTEHEN, ERSTELLEN UND VERWENDEN LÜCKENSCHLUSS IN EINER DATENGESTEUERTEN WELT Ob es um die Vorhersage von Verschleißverhalten geht, um die Überwachung von Maschinen und Anlagen, die Datenerhebung oder um automatische Anomalieerkennung – es gibt viele Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren. Daten erheben wir in der Zwischenzeit zu genüge. Doch wie machen wir uns diese zu Nutze und welche Möglichkeiten bietet uns Künstliche Intelligenz? Nicht jeder verfügt über das Wissen oder die Fähigkeit, die Daten zu nutzen, die mithilfe von Sensoren und Messtechnik in Prozessen erfasst werden. Eine Lösung bietet Machine Learning (ML). Algorithmen und Modelle erlauben es Maschinen- oder Prozessexperten, ohne Vorkenntnisse in Data Science, Daten in ML-Modelle zu überführen. Die Modelle lassen sich in bestehenden Fertigungsumgebungen einsetzen, sodass Produktionsverantwortliche und andere Akteure im Betrieb Analysen und Einblicke in Echtzeit erhalten. So werden aus Daten wertvolle Erkenntnisse. MACHINE LEARNING UNTER DER LUPE Die neue Machine-Learning-Lösung edgeML von Weidmüller ist unabhängig von Cloud- und Internetzugang. Lernalgorithmen können nun direkt an der Edge laufen – sei es in Form einer SPS oder eines IPC. Dabei steht die Software als Docker-Container zur Verfügung. Somit ist edgeML herstellerunabhängig und kann auf allen gängigen industriellen Steuerungen verwendet werden, die eine Ausführung von Docker-Containern unterstützen. edgeML kann verschiedene Modelle zu maschinellem Lernen ausführen und eignet sich für Automatisierungsingenieure. Der No-Code-Ansatz von Weidmüller macht es möglich, auch ohne Kenntnisse in Python oder Data Science ML-Modelle auf eine Steuerung deployen zu können. MEHRWERTE SCHAFFEN Machine Learning direkt an der Anlage bringt gleich mehrere Vorteile mit sich. Einen der wichtigsten stellen die lokale Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten. Denn im Gegensatz zu cloudbasierten ML-Lösungen muss die Maschine oder DIE REDAKTION IM GESPRÄCH: MACHINE-LEARNING IN DER AUTOMATISIERUNG – WO STEHEN WIR? NICOLE STEINICKE: KI und Machine Learning (ML) ermöglichen es beispielsweise, das Fehlverhalten von industriellen Maschinen früh zu erkennen. Doch was heißt das für die Praxis und wie lässt sich das für die Umsetzung erforderliche Wissen erwerben? DR.-ING. CARLOS PAIZ GATICA: Dies gelingt am besten, indem wir Ingenieuren Werkzeuge an die Hand geben, um selbstständig Machine-Learning-Lösungen zu entwickeln, für die sie keine tiefgreifenden Data-Science-Kenntnisse benötigen. Dazu haben wir den Prozess der Modellentwicklung so abstrahiert und automatisiert, dass Ingenieure sich auf das konzentrieren können, was sie am besten können: das Verständnis ihrer Maschinen und Prozesse. Die technischen Aspekte der Modellbildung übernimmt unser Tool, der ModelBuilder. Dies gilt natürlich nicht nur für die Mo- dellerstellung, sondern auch für die Nutzung eines ML-Modells. Es muss genauso einfach sein, ein ML-Modell in die Anwendung zu bringen, unabhängig davon, ob die Zielplattform in der Cloud oder in der Maschinensteuerung liegt. NICOLE STEINICKE: Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in der Implementierung von KI- und ML-Analysemodellen in der Industrie? DR.-ING. CARLOS PAIZ GATICA: Obwohl Maschinen und Anlagen eine große Menge an Daten erzeugen, werden diese oft nicht gespeichert, da es bisher keinen konkreten Bedarf dafür gab. Das bedeutet, dass die Datenverfügbarkeit für viele Unternehmen die erste Herausforderung ist, um maschinelles Lernen nutzen zu können. Darüber hinaus erfordert die Nutzung dieser Daten Data-Science- Expertise, und es mangelt an Daten- Dr.-Ing. Carlos Paiz Gatica, Product Owner Industrial Analytics, Weidmüller, Paderborn wissenschaftlern, um die Anforderungen der Industrie abzudecken. Selbst wenn Unternehmen bereits Daten sammeln und Datenwissenschaftler beschäftigen, ist für die Erstellung eines ML-Modells Domänenwissen unerlässlich. Aspekte wie die richtige Auswahl an Sensordaten für ein spezifisches Überwachungsziel oder die effiziente Vorverarbeitung der Sensordaten hängen oft von tiefgehenden Maschinen- oder Prozesskenntnissen ab – je nach Anwendungsfall. 16 INDUSTRIELLE AUTOMATION 2024/06 www.industrielle-automation.net

MESSE SPS Bei Weidmüller vor Ort hatte ich die Gelegenheit, mit einem Experten nicht nur über die Welt der Connectivity zu sprechen, sondern auch über maschinelles Lernen. Neue Lösungen erleichtern den Einstieg und helfen, vermeintliche Hürden zu nehmen – und das ganz ohne Data-Science-Wissen. NICOLE STEINICKE, Chefredakteurin, Industrielle Automation die Steuerung die Daten nicht in die Cloud übertragen. Sie werden lokal verarbeitet. So können Betreiber sicherstellen, dass sensible Daten das Unternehmen nicht verlassen. Die neue ML- Lösung bedeutet außerdem Schnelligkeit: Unstimmigkeiten im Produktionsprozess werden direkt an der Maschine erkannt. Das beschleunigt die Fehlerbehebung, beugt langen Ausfällen vor und verringert die Produktion von Ausschuss. Gleichzeitig spart edgeML Kosten, da Cloud-Lizenzen und Gebühren für die Datenübertragung und -speicherung entfallen. Auch Produktionslinien, deren Maschinen und Anlagen aus Sicherheitsgründen nicht mit dem Internet verbunden werden dürfen, profitieren mit edgeML von maschinellem Lernen. EINFACHES ERSTELLEN UND ANPASSEN VON MODELLEN Der Weg zu einem Machine-Learning-Modell auf der Edge beginnt mit der Datensammlung an der Anlage. Weidmüller bietet dazu die Softwaretools PROCON-WEB oder PROCON-Connect. Diese importiert der Automatisierungsingenieur oder Domänen- experte in den ModelBuilder. Dort kann er nun auf Basis der Daten ML-Modelle erstellen, die im letzten Schritt auf edgeML übertragen werden. Da edgeML das Standardformat ONNX unterstützt, haben Anwender zusätzlich zum ModelBuilder weitere Möglichkeiten: Modelle lassen sich beispielsweise auch in Python erstellen. So können sie maschinelles Lernen in ihrem gewohnten Umfeld verwirklichen. Existierende ONNX-Modelle lassen sich ebenfalls mit edgeML wiederverwenden. Performt ein Modell nicht mehr in gewünschter Weise, lässt es sich leicht ersetzen, ohne dass die Kommunikationseinstellungen angepasst werden müssen. Somit unterstützt edgeML eine einfache Verwaltung des Lebenszyklus von ML-Modellen (MLOps). Um Zeit und Ressourcen bei der Erstellung von ML-Lösungen möglichst gering zu halten, ermöglicht Weidmüller in Zukunft auch die Kalibrierung von erstellten Modellen. Diese Funktion ist bereits in ModelRuntime, einer weiteren Weidmüller- Software für die Cloud, verfügbar. Ein Standardmodell für eine Maschinenfamilie wird zu einer Schablone, die auf andere Maschinen derselben Klasse ausgeweitet werden kann. An diesen lernt das angewandte Modell weiter, um sich auf die jeweilige Anlage anzupassen. Dies ermöglich die skalierbare Wiederverwendung von ML-Modellen. NUTZBAR AUF ALLEN SYSTEMEN Über RestAPI können auch Kunden, die bereits eine HMI oder ein MS-System integriert haben, edgeML anwenden. Die Kombination mit PROCON-Connect wird die Grenzen von Feldbussen und Protokollen überwinden, sodass edgeML übergreifend einsetzbar wird. Bilder: Weidmüller www.weidmueller.com Zusätzlich erfordert der Einsatz von maschinellem Lernen in industriellen Anwendungen eine hohe Stabilität, Sicherheit und Wartbarkeit der Lösung. Es reicht nicht aus, lediglich für eine Maschine ein hochperformantes ML-Modell zu entwickeln. Unternehmen benötigen industrielle Produkte, die es ermöglichen, das Modell in Automatisierungssysteme zu integrieren und das Management des Modell-Lebenszyklus mit minimalem Aufwand für möglichst viele Maschinen umzusetzen. NICOLE STEINICKE: Welchen Weg verfolgen Sie bei Weidmüller, wenn wir an Automated Machine Learning denken und was zeichnet Ihre Lösungen edgeML beziehungsweise AutoML aus? DR.-ING. CARLOS PAIZ GATICA: Mit AutoML und edgeML stellen wir den industriellen Anwender in den Vordergrund: Machine Learning wird zu einem weiteren Werkzeug im Werkzeugkasten. Der Einsatz dieser Technologie erfordert weder Data-Science-Kenntnisse noch komplexe Programmieraufgaben. Wir verfolgen einen No-Code-Ansatz sowohl für die Erstellung als auch für die Nutzung und Verwaltung von ML-Modellen – sei es in der Cloud oder „on-the-edge“. Mit dem AutoML ModelBuilder können Maschinen- oder Prozessexperten in wenigen einfachen Schritten eigenständig ML-Modelle erstellen, bewerten und validieren – und das ganz ohne Data- Science-Wissen. Mit ModelRuntime kann der Anwender die Modelle in einer Cloud-Umgebung importieren und nutzen. Live-Sensordaten können entweder in einer Datenbank zwischengespeichert oder per REST-API übertragen werden. Die Modellergebnisse können ebenfalls abgerufen und zur Erstellung von Dashboards, Warnungen oder Benachrichtigungen verwendet werden. Mit edgeML bieten wir nun die Möglichkeit, ML-Modelle direkt in die Automatisierung zu integrieren, auch hier ohne die übliche Komplexität eines Data-Science-Projekts. Das Produkt verfolgt ebenfalls einen No-Code-Ansatz und ermöglicht den reibungslosen Austausch von alten ML-Modellen, ohne dass Einstellungen geändert werden müssen. NICOLE STEINICKE: Welche sind nun die aus Ihrer Sicht wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Einführung von KI und ML im Umfeld der smarten Fabrik? DR.-ING. CARLOS PAIZ GATICA: Ohne eine klare Strategie und eine entsprechende Organisationsstruktur, die diese Strategie umsetzt, können Unternehmen über die Phase von Proof of Concepts hinaus nicht viel erreichen. Daher sehe ich diese beiden Faktoren als entscheidend für eine nachhaltige und profitable Nutzung von Machine Learning in Unternehmen. Technologisch gesehen benötigen Unternehmen industrielle Lösungen, die sich nahtlos in bestehende Systeme integrieren lassen und von bestehenden Teams genutzt werden können. Aspekte wie Skalierbarkeit und Lebenszyklus management spielen ebenfalls eine große Rolle. Darauf haben wir bei der Entwicklung unserer Machine-Learning- und Softwareprodukte großen Wert gelegt. DIE FRAGEN STELLTE DIPL.-ING. NICOLE STEINICKE www.industrielle-automation.net INDUSTRIELLE AUTOMATION 2024/06 17