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INDUSTRIELLE AUTOMATION 6/2021

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INDUSTRIELLE AUTOMATION 6/2021

5FRAGEN AN... …

5FRAGEN AN... … Reinhard Knapp, Leiter Global Strategies beim Engineering-Software-Entwickler Aucotec in Isernhagen Ein digitaler Zwilling spiegelt die Realität, so die Idee. Und wie ein Spiegel nur das sichtbare Äußere zeigt, wurde auch der Begriff Digital Twin ursprünglich verstanden. Wenn aber Goethe schon den Pflanzen zuschrieb, dass ihr Äußeres nur die Hälfte ihrer Wirklichkeit sei, dann gilt das für Anlagen im Zeitalter von Industrie 4.0 erst recht. Ihr Zwilling muss also viel mehr als nur Äußerlichkeiten abbilden. Ein hoher Anspruch, aber machbar? Die Redaktion fragt nach. 01 ZUNÄCHST EXISTIERT VON EINER ANLAGE JA NUR DAS ORIGINAL? WIE KOMMT MAN NUN ZUM ABBILD UND WAS MACHT EINEN DIGITAL TWIN SO WERTVOLL? Genau, im Engineering existiert erst einmal nur die digitale Realität. Ist die Anlage gebaut, wird das ursprüngliche Original zum Abbild. Doch es ist nicht selbstverständlich, dass die Zwillinge Ebenbilder bleiben bis ans Ende ihrer Tage. Tatsächlich wird die Aktualisierung oft sträflich vernachlässigt. Mit jeder nicht nachgetragenen Reparatur oder Anlagen-Optimierung im Digital Twin ähneln sich die beiden weniger. Deshalb muss im Lebenszyklus der Anlage mit all ihren Veränderungen der digitale Zwilling parallel lebendig bleiben, mitwachsen und -reifen, um den enormen Schatz an Anlagen-Wissen z. B. für Analysen, den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) oder Störfälle sofort parat zu haben. Diese Lebendigkeit, die Fähigkeit zum Wachsen und als Gedächtnis der Anlage zu dienen, macht für mich quasi die Seele und damit den besonderen Wert des Digital Twin aus. 02 ANLAGEN UND IHRE DIGITALEN ZWILLINGE BESTEHEN AUS VIELEN TEILEN, DIE MITEINANDER VERBUNDEN SIND. BLEIBT DA NICHT MANCHES AUF DER STRECKE? Entscheidend ist, dass der Zwilling bzw. das Anlagenmodell disziplinübergreifend die gesamte Anlage repräsentiert. Denn wie ein lebendiger Körper, lässt sich Armen oder einem Bauch keine Seele einhauchen. Deshalb hat Aucotec eine Plattform entwickelt, die mit ihrem universellen Datenmodell alle Kerndisziplinen des Engineerings in einer Single Source of Truth (SSoT) vereint und auch als Repository für ergänzende Daten, z. B. aus Simulationen, dient. Das erlaubt fast grenzenlose Kooperation – dank Mehrschichtarchitektur auch clientunabhängig über Webservices von überall. Jedes Objekt gibt es nur einmal in der Datenbank von Engineering Base (EB) und jede Fachrichtung kann es aus ihrer Sicht spezifizieren. Gleichzeitig sieht jeder, was die anderen Disziplinen bereits erarbeitet haben und baut darauf auf. Das schafft nahtlose Transparenz – ohne Schnittstellen und Übergaben. 82 INDUSTRIELLE AUTOMATION 2021/06 www.industrielle-automation.net

03 WIE BLEIBT NUN ABER DAS GESAMTBILD DER ANLAGE UP-TO-DATE? In EB beginnt das Leben des digitalen Zwillings schon vor der ‚Geburt‘, wenn das System automatisiert Simulationsszenarien vergleicht. Vom Basic Design über e-technisches Detail Engineering bis zur Leitsystem-Konfiguration nimmt nun nicht nur der Anlagen-Körper, sondern mit immer mehr Eigenschaften, Verknüpfungen und Logiken auch die Seele des Zwillings Gestalt an und halten ihn auf dem aktuellen Stand. Sind OPC-UA-fähige Geräte in der Anlage verbaut, können sie sogar direkt mit EB kommunizieren. Ein neuer Sensor meldet seine Existenz dem digitalen Zwilling und EB dokumentiert selbstständig das Ersatzgerät sowie den Austausch. Auch trägt der Service-Experte über sein mobiles Tablet seine Änderungsinformationen direkt am Objekt ein und schickt sie ans Engineering. Auf diese Weise wird das aktuelle Gesamtbild der Anlage effizient am Leben erhalten. 05 WIR SEHEN ALSO STETS DIE GANZE WIRKLICHKEIT? Ja, im zentralen Datenmodell verbreiten sich Änderungen, wie jede Dateneingabe, unmittelbar automatisch in alle Gewerke. Zusätzlich ermöglicht die SSoT u. a. transparentes Data Tracking, Versionshistorien und rollenbasierte Rechtevergabe für den gesamten Zwilling. Darin zeigt sich die Ebenbürtigkeit und der enorme Wert eines aktuellen Digital Twin samt allem, was nicht auf den ersten Blick sichtbar ist: Funktionen, Verknüpfungen, Interpretationen – die Seele eben, lebendig, lern- und anpassungsfähig, wachsend und eins mit ihren Zwillings-Körpern – dem draußen ebenso wie dem in Objekten, Daten, Plänen und Tabellen. So repräsentiert Engineering Base die ganze Wirklichkeit der Anlage. DIE FRAGEN STELLTE NICOLE STEINICKE, CHEFREDAKTEURIN INDUSTRIELLE AUTOMATION Bilder: Aucotec AG www.aucotec.com 04 SIE SPRECHEN VON „MOST COM- PLETE MODEL“ STATT „BEST IN CLASS“? Dabei geht’s um die enormen Synergien, die disziplinübergreifendes Arbeiten mit sich bringt. Das Einsparen von Datenübergaben und entsprechenden Fehlerquellen, von IT-Aufwand und Schnittstellen durch EB als Single Source of Truth schafft sehr viel mehr Zeit- und Qualitätsgewinn, als Optimierungen an separaten Spezialtools für einzelne Disziplinen erreichen können, selbst wenn sie noch so gut sind. Toolketten sind und bleiben Showstopper. Das Zusammenführen aller Engineering-Gewerke, vom Prozess-Design über Instrumentierung und Detailplanung bis Automatisierung, ist für unsere Kunden der entscheidende Pluspunkt. Die universelle Verfügbarkeit übergreifend verknüpfter Engineeringdaten in einem zentralen Anlagenmodell, das ist unser Fokus – und zudem DIE Voraussetzung, um den Anforderungen des IoT gerecht werden zu können. Kurz erklärt Die Aucotec AG entwickelt Engineering- Software für den gesamten Lebenszyklus von Maschinen, Anlagen und mobilen Systemen – seit über 35 Jahren. Die Lösungen reichen vom Fließbild über die Leit- und Elektrotechnik in Großanlagen bis zum modularen Bordnetz in der Automobilindustrie. Neben der Zentrale in Hannover gibt es sechs weitere Standorte in Deutschland. Neun Tochtergesellschaften in Europa, Asien und den USA sowie ein globales Partner-Netzwerk sichern lokalen Support überall auf der Welt. www.industrielle-automation.net INDUSTRIELLE AUTOMATION 2021/06 83