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Industrielle Automation 5/2017

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Industrielle Automation 5/2017

STEUERN UND ANTREIBEN I

STEUERN UND ANTREIBEN I INTERVIEW 02 Hochstandardisierte und modulare Prozessanlagen wie Manz sie anbietet, sind die Basis einer sich selbst organisierenden Fertigung. Auch additive Produktionsverfahren wie das selbst entwickelte Patch Placement spielen dabei eine Rolle. Produktbeispiele sind maßgeschneiderte Fahrradsättel, Gehhilfen oder Greifarme für Handlingssysteme. die Entscheidungen überlassen – auf diesen Kontrollverlust muss ich mich erst einmal einlassen als Fertigungsleiter. Aber wir wissen inzwischen, dass ein flexibel verkettetes System störungstoleranter als eine starr verknüpfte Linie ist – eben, weil die Prozessanlagen füreinander einspringen können, wenn ich eine gewisse Redundanz projektiert habe. Hinzu kommt: Ein sich selbst organisierendes System läuft umso stabiler, je größer es ist. Botond Draskoczy: Das heißt aber auch, dass in den Fertigungsunternehmen Simulationen immer wichtiger werden, Simulationen von Gesamtprozessen oder auch Materialflüssen. Diesen Simulationen muss ich vertrauen. Zum Beispiel kann ich simulieren, wie sich unterschiedlich schnell getaktete Prozesse miteinander verketten lassen: Für langsamere Prozesse muss ich dann mehr Anlagen einplanen, als für schnellere, um das System in einem optimalen Gleichgewicht zu halten. Nun entscheidet sich ein Unternehmen für ein solches Konzept – nur die allerwenigsten werden aber unbegrenzte Ressourcen dafür investieren können. Gibt es einen schrittweisen Einstieg? Martin Steyer: Jein, denn an vollständig digitalisierten Prozessen führt kein Weg vorbei. Nur so kann man das Potenzial einer sich selbst organisierenden Produktionslinie ausschöpfen. Trotzdem können Unternehmen klein einsteigen, mit nur wenigen Maschinen und entsprechend geringem Zeitaufwand für die Prozessinbetriebnahme. Sie werden so viel schneller in Produktion gehen, als früher. Ein fehlerbereinigtes und optimiertes System lässt sich später hochskalieren, da wir ja von gleichartigen Prozessanlagen ausgehen, die sich gegenseitig ersetzen können. Botond Draskoczy: Die Skalierbarkeit gilt auch für neue Funktionen, die ich abbilden möchte: Anwender können neue Prozesse oder neue Materialien zuerst auf einer Prozessanlage testen, während die übrigen Maschinen und Anlagen weiterproduzieren, wie bisher. Eine neue Funktion kann anschließend in alle Anlagen integriert werden. Die beliebige Verkettung der Anlagen ist übrigens auch ein Riesenvorteil, wenn die Produktionsfläche nicht optimal ist. Welche Prozesstechnologien werden Ihrer Meinung nach gefragt sein für die Umsetzung von sich selbst organisierenden Fertigungssystemen? Martin Steyer: Als sogenannte „Enabler“ sehe ich flexible Technologien wie unser Patch Placement-Verfahren, aber auch Automations- und Handlings systeme wie etwa Roboter oder Laser ­ scanner – alles mit frei programmierbaren Achsen. Wie gesagt: Es geht immer darum, Rüstaufwand zu vermeiden. Enorm wichtig werden auch Messtechnik und optische Inspektionssysteme sein. Zwar kann niemand den Weg eines Produkts durch eine Fertigungslinie voraussagen, aber ich will natürlich lückenlos wissen, welchen Weg es genommen hat, um die Qualität sicherzustellen. Bei den zu verarbeitenden Materialien ist das Spektrum riesig: Mit Kunststoffen, CFK oder Textilien von der Rolle, als Folien oder aus Magazinen haben wir bereits zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Welche Bedeutung und Relevanz hätten solche dynamischen Produktions systeme für die Wertschöpfungsketten in verschiedenen Branchen insgesamt? 28 INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/2017

INTERVIEW I STEUERN UND ANTREIBEN Botond Draskoczy: Kunden, also auch Konsumenten, und Entwickler werden künftig viel direkter einbezogen werden: über webbasierte Produkt-Konfiguratoren, Entwicklerplattformen oder digitale Materialdatenbanken und eine logikbasierte Mustererzeugung. Begriffe wie „vernetzte Produktion“ oder „open source“ erhalten damit eine viel breitere Bedeutung, als bisher. Beispiele dafür sind die kundenindividuelle Massenproduktion in der Schuhindustrie oder maßgeschneiderte Sportgeräte und medi zinische Gehhilfen. In all diesen Anwendungsfällen können Kundendaten über Größe und Gewicht des Konsumenten oder gewünschte Farbe und Ausstattung digital in die Produktion übertragen und verarbeitet werden. Martin Steyer: Ich sehe drei große Trends in der Industrie: Sich selbst organisierende Produktionslinien werden sich überall dort durchsetzen, wo Großserienhersteller mit einer nur schwer beherrschbaren Variantenvielfalt ihrer Produkte zu kämpfen haben und deshalb höchste Anforderungen an die Flexibilität ihrer Fertigung stellen. Wir werden weiterhin, analog zur Halbleiterbranche, eine Aufspaltung in Produktentwickler und unabhängige, hochflexible Auftragsfertiger sehen, die zum Beispiel Kleinserien von bis zu 1 000 Stück innerhalb von 24 Stunden liefern können. Diese Auftragsfertiger könnten sich zu größeren digital angebundenen Produktionszentren oder -Clustern entwickeln. In einer sich selbst organisierenden Produktion kommunizieren alle Maschinen und Produkte miteinander und wissen, was zu tun ist. Oder anders gesagt, sie denken mit. Damit kommt nicht nur Dynamik in die Produktion, sondern auch Flexibilität und Intelligenz. Nicole Steinicke, Stellv. Chefredakteurin Drittens erwarte ich bei dem stetig steigenden Automatisierungsgrad und der damit gewonnenen Unabhängigkeit von Billiglohnländern, dass sich die Fertigung in vielen Branchen wieder näher beim Kunden ansiedeln wird. Als lokal vernetzte Produktion sind das gute Chancen für „Made in Germany“. Fotos: Manz www.manz.com Schnelle, sichere und unkomplizierte Ferndiagnose Konsequent abgesichert mit u-link Let’s connect. u-link ist die ideale Fernwartungslösung für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber. Die intuitiv bedienbare Oberfläche ist einfach zu konfigurieren und auf die eigene Infrastruktur anzupassen. Ohne umfassende IT-Kenntnisse vernetzen Sie mehrere Anlagen schnell via Cloudservice. Und das Beste: Dank der abgesicherten VPN-Verbindung haben Sie jederzeit Zugriff auf Ihre Produktionsanlagen - unabhängig vom globalen Standort. Erfahren Sie mehr zu u-link und unserem Industrial Security Router auf der SPS IPC Dives in Halle 9, Stand 9-351. www.weidmueller.de/u-link