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Industrielle Automation 5/2016

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Industrielle Automation 5/2016

KOMPONENTEN UND SOFTWARE

KOMPONENTEN UND SOFTWARE I TITEL Gut gebündelt und sicher geleitet Weiterentwicklung von Werkstoffen, Prüfnormen und -verfahren ermöglicht zuverlässige Energie- und Datenübertragung Rainer Rössel Leitungen, die in der Industrie an bewegten Maschinenteilen zum Einsatz kommen, müssen Zugund Torsionskräften sowie äußeren Einwirkungen wie Schlägen oder Schweißfunken standhalten. Doch obwohl Energieketten Schutz bieten, bleiben die Anforderungen an die Leitungen hoch. Als Lösung erweist sich hier unter anderem die Bündelverseilung, denn sie macht die Leitungen bewegungsrobust und kettentauglich. Eine Energiekette lässt sich als Nabelschnur einer Maschine bezeichnen. Sie versorgt ein Maschinenteil mit Energie, Daten und Medien und macht zugleich jede seiner Bewegungen mit. Der Grad der Bewegung reicht von simplen Hüben bis hin zu sechsachsigen Roboter-Anwendungen. Damit die innenliegenden Leitungen den Belastungen viele Millionen Mal standhalten und es nicht etwa nach wenigen Tausend Zyklen zu Aderbrüchen oder dem berüchtigten Korkenzieher-Effekt kommt, müssen Material und Aufbau der Leitungen optimal aufeinander abgestimmt sein. Verlässliche Prognosen durch Langzeitversuche Die Praxis zeigt, dass selbst hochflexible Leitungen im bewegten Einsatz in Energieketten oft rasch an ihre Belastungsgrenzen stoßen. Lässt sich ihre Lebensdauer vorhersagen? Standard-Normtests, wie sie von VDE, IEC oder UL durchgeführt werden, lassen diesbezüglich kaum eine klare Aussage zu. Denn um verlässliche Prognosen treffen zu können, bleibt nur der Langzeitversuch in der Energiekette selbst. Einschlägige Normen simulieren auf anderen Wege den Verschleiß lediglich und nicht direkt mit der Kette bzw. den Kettenwerkstoffen, wodurch sich dieser nicht eins zu eins auf den Einsatz in Ketten adaptieren Rainer Rössel ist Leiter des Geschäftsbereich chainflex Leitungen, igus GmbH, Köln 01 Bündelverseilung im Querschnitt, wie man es vom Stahlseilaufbau kennt: hier werden alle Adern gleichermaßen belastet

TITEL I KOMPONENTEN UND SOFTWARE 02 In dem 2 750 m 2 großen Testlabor wird mit über 2 Milliarden Testzyklen die Lebensdauer der Produkte getestet 03 In der Kältekammer können Temperaturverläufe von - 40 bis + 60 °C simuliert werden lässt. Um die Lebensdauer verlässlich voraussagen zu können, betreibt die Firma Igus als Spezialist für Kunststoffe und Leitungen in Bewegung das mit 2 750 m 2 mit Abstand größte Testlabor für bewegte Leitungszerstörung in Energieketten, in dem auf 58 verschiedenen Testständen die Produkte im Dauerbetrieb auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. Da es auf die genaue Abbildung der realen Arbeitsbedingungen ankommt, sind Testachsen mit unterschiedlichsten Verfahrwegen und Beschleunigungen oder Witterungsbedingungen vorhanden. Für die Erprobung von großen Energiekettensystemen, wie sie etwa bei Krananlagen zum Einsatz kommen, ist ein Außentestgelände mit einem Verfahrweg von bis zu 240 m Verfahrweg vorhanden. Hier wurden bereits Komponenten mit 4 m/s und einer Zusatzlast von 8 kg/m auf eine Gesamtleistung von 25 000 km erfolgreich getestet. Notwendige Kälteflexibilität unter Beweis stellen Ebenso werden Temperaturverläufe von - 40 bis + 60 °C untersucht. Dem eigens hierfür umgebauten Seecontainer, in dem diese Verläufe realisiert werden können, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Anders als bei der sonst üblichen Kältewickelprüfung, bei der Testleitungen auf einen Dorn aufgewickelt und einmalig auf Prüftemperatur heruntergekühlt werden, stehen hier Leitungen und Ketten bei entsprechenden Testtemperaturen unter realistischen Bewegungsbedingungen auf dem Prüfstand. Diese müssen den Millionen von Hüben und eben der im echten Einsatz zu erwar­ tenden Biegebeanspruchung standhalten. Eine Prüfung gilt dann als bestanden und somit die notwendige Kälteflexibilität als erwiesen, wenn keine Mantelbrüche festgestellt werden können. Nicht immer dreht es sich bei den Tests um Extremtemperaturen. Bei Kundenanfragen geht es zumeist um Leitungen, die noch bei - 5 °C sicher funktionieren. Igus bietet deshalb seit über vier Jahren eine ölbeständige PVC-Mischung, die über eine hohe Abriebfestigkeit bei einer großen Temperaturbandbreite verfügt. Dies ist ein Novum auf dem Markt, denn übliche PVC-Mischungen für kettentaugliche Leitungen erfüllen diese Anforderungen bis heute nicht. Ein weiterer Vorteil: Bei eher gemäßigten Temperaturen ist es nicht zwangsläufig notwendig, auf teurere Mantelwerkstoffe wie PUR oder TPR zurückzugreifen. Einseitige Streckungen und Stauchungen vermeiden Die Erkenntnisse, die bei der laufenden Analyse aller Tests gewonnen werden, fließen bei Igus seit über 25 Jahren in die Entwicklung des eigenen, stetig wachsenden Sortiments von Leitungen ein. Dies führte neben neuartigen Materialien zur Einführung der Bündelverseilung, wie sie bei Stahlseilen üblich ist. In einem aufwändigen Verfahren werden bei der Bündelverseilung Adern in Einzelbündel mit drei, vier oder fünf Adern verseilt, die dann wiederum zu einer Gesamtverseilung der Bündel miteinander verseilt werden. Bei großen Verseilaufbauten geschieht dies um ein Zug entlastungselement. Das Ergebnis ist eine Leitung, die bewegungsrobust und absolut kettentauglich ist, da – im Unterschied zu einer lagenverseilten Leitung – jede der Adern bei der Bewegung in der Energiekette gleichermaßen im Innen- und auch im Außenradius bewegt wird und dadurch einseitige Streckungen und Stauchungen vermieden werden. Bei noch extremeren Bewegungen kommen Leitungen zum Einsatz, deren Leitungsaufbau ebenfalls komplexer ist. Diese sogenannten Roboterleitungen werden vor allem bei Industrierobotern eingesetzt und müssen extremste Bewegungen, Biegung ­ en und Torsionen mitmachen. Spezielle Dämpfungselemente geben den Adern hierbei die notwendige Bewegungsfreiheit im Leitungsinnern. Denn je mehr die Leitung „zugedreht“ wird – an die Grenze der Belastung gerät – desto schwieriger wird es, die Leitung zu tordieren. Besondere Schirme und Außenmaterialien sorgen zusätzlich für eine optimale Haltbarkeit der Leitungen. Lebensdauer von Leitungen selbst berechnen Die Lebensdauer einer Leitung im Einsatz in der Energiekette hängt von einer Vielzahl von Variablen ab, die bei Aufbau und der Materialwahl zu berücksichtigen ist. So bietet die Chainflex-Produktfamilie aktuell 1 244 verschiedene Leitungen. Wie lange Leitungen bei entsprechender Anwendung halten werden, können Anwender selbst berechnen, da die Testergebnisse von jährlich über 2 Milliarden Testzyklen aus dem Labor in eine Datenbank einfließen, auf Grundlage derer das freizugängliche Online-Tool zur Lebensdauerberechnung auf der Igus-Website basiert. www.igus.de INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/2016 45