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Industrielle Automation 3/2018

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Industrielle Automation 3/2018

„Asiatische Kunden

„Asiatische Kunden ticken anders“ Uwe Lawrenz, geschäftsführender Gesellschafter der Zirox GmbH, über Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolge im Fernostgeschäft Systeme und Lösungen für die zuverlässige und exakte Sauerstoffmessung und -analyse von Zirox sind weltweit gefragt. Das Greifswalder Unternehmen wurde 1990 von Mitarbeitern der Forschungsgruppe „Festelektrolyte“ und des wissenschaftlichen Gerätebaus der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gegründet. Es erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von sechs Millionen Euro und exportiert zirka 75 % seiner Produkte, so viel wie kaum ein anderes Unternehmen in der Region. Zurzeit werden Kunden in 73 Ländern beliefert. 2017 wurde Zirox deshalb bereits zum zweiten Mal der Exportpreis der Industrie- und Handelskammern des Landes Mecklenburg-Vorpommern verliehen. Mit der Industriellen Automation sprach Dr. Uwe Lawrenz, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter über die Erfahrungen des Unternehmens in Asien und warum Produkte, die für den europäischen Markt entwickelt wurden in Asien oft keinen Erfolg haben. 2003 lag Ihr Exportanteil bei 20 Prozent. Mittlerweile sind es bereits 75. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Wir haben in der Region Mecklenburg-Vorpommern nur sehr wenige Kunden. Davon können wir als Firma nicht leben. Wir mussten raus in die Welt und Nischen finden, die noch nicht besetzt sind. Bereits 1995 starteten wir unseren ersten Versuch den chinesischen Markt mit einem Gemeinschaftsbüro in Hongkong zu bedienen. Dabei mussten wir schnell feststellen, dass sich die Geschäftserfahrungen aus Europa oder den USA nicht auf asiatischen Kunden übertragen lassen. Sie haben andere Anforderungen an Produkte und oftmals ein gewöhnungsbedürftiges Geschäftsgebaren. Wir mussten daher viel Lehrgeld zahlen. Aber inzwischen sind wir in fast allen asiatischen Ländern präsent und erwirtschaften dort ca. 60 Prozent des Gesamtumsatzes. Eine sehr erfolgreiche Entwicklung. Sie sind bislang das einzige Unternehmen aus Vorpommern, das den IHK-Exportpreis erhalten hat. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass so wenige Firmen den Sprung in das Reich der Mitte wagen? 36 INDUSTRIELLE AUTOMATION 3/2018 Viele mittelständische Firmen, die wir kennen, haben ähnliche Erfahrungen gemacht wie wir. Oftmals haben sie sich nach negativen Anfangserfahrungen zurückgezogen. Dabei ist der asiatische Markt durchaus lukrativ, wenn man die länderspezifischen Besonderheiten beachtet. Bevor wir die jetzige Struktur erfolgreich aufgebaut haben, sind wir mit unseren Konzepten mehrmals in Asien gescheitert. Die Gründe waren immer unterschiedlich. Genau das hat uns dazu gebracht, die Ursachen des Scheiterns zu analysieren und wieder neu zu beginnen. Was waren denn die Fehler, einerseits hinsichtlich Ihrer Produktpositionierung, andererseits mit Ihrer Niederlassung in Hongkong? Es waren gleich mehrere Probleme. Zum einen haben wir versucht, die Standardgeräte, die wir für den deutschen Markt entwickelt hatten, in China zu verkaufen. Dabei waren diese für den chinesischen Markt zu teuer und zu komplex. Die Erfahrung daraus war, dass wir für den chinesischen Markt andere Produkte brauchen, preiswerter, robuster und auch von einem technischen Laien bedienbar. Selbst heute noch ist ein Ingenieurstudium in China nicht mit einem europäischen Abschluss zu vergleichen, es fehlen oft elementare technische Kenntnisse. Der zweite Grund war unser Vertriebsmodell. Wir arbeiten generell ohne einen klassischen Außendienst, da dieser für den Kunden meistens nicht den entsprechenden Mehrwert bietet, aber hohe Kosten verursacht. Auch in China haben wir deshalb den Interessenten kostenlose Testgeräte zugeschickt. Dummerweise haben viele Kunden die Testgeräte behalten, ohne dafür zu bezahlen. Nach ein paar Monaten waren alle Geräte weg und kein Umsatz generiert. Hier war die Erfahrung, dass wir nur mit einheimischen Partnern Erfolg haben können, die das Land und den Markt kennen. Leider haben sich dann später mehrere unserer Partner als unseriös herausgestellt. Noch ein dritter Grund – man muss auch Uwe Lawrenz

INTERVIEW 01 02 03 Trotz der relativ hohen Stückzahlen werden alle Sensoren und Geräte von Hand gefertigt – dies gewährleistet einen hohen Qualitätsstandard und erlaubt flexible Anpassungen, die mit einer maschinellen Fertigung nicht möglich wären in China eine eigenständige Markenentwicklung, ein Branding betreiben. Chinesische Kunden sind oft sehr auf bestimmte Marken fixiert. Sie lieben deutsche Technik, wollen aber meistens nicht die hohen deutschen Preise zahlen. Es gibt in China in unserem Geschäft viele Unternehmen, die Konkurrenzprodukte Wer ein Smartphone, einen Computer oder einen Fernseher verwendet, hat oft indirekt Kontakt mit Messgeräten des Unternehmens Zirox. Nicole Steinicke, Industrielle Automation bauen, oftmals anscheinend perfekte Kopien bekannter Marken. Von unserem Standardgerät, dem Sauerstoffanalysator SGM7 sind schon nach ein paar Monaten Kopien in China aufgetaucht. Rein äußerlich sahen sie aus wie unsere, aber das worauf es ankommt, die Messzelle, konnten sie natürlich nicht nachbauen. Auch unsere geschützte Wortmarke Zirox hatte sich schon nach wenigen Monaten einer unserer Wettbewerber beim Markenamt in Peking eintragen lassen. Wie konnten Sie sich gegen die Plagiate schützen? Nachdem wir mehrere Versuche mit einheimischen Partnern unternommen hatten, haben wir 2006 die Marke Ziron und das Unternehmen Ziron Shanghai Ltd. etabliert. Rechtlich ein eigenständiges chinesisches Unternehmen, welches unserem Partner gehört. Wir haben aber durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt, dass der chinesische Partner nur für Zirox arbeiten kann. Die Produkte werden ausschließlich in Deutschland entwickelt und hergestellt. Sowohl bei der Konstruktion als auch bei der Fertigung haben wir darauf geachtet, dass Skalen effekte zum Tragen kommen. Es gibt im Gegensatz zu unserer Geschäftspolitik in Europa bei Ziron nur wenige Produktvarianten, die in großer Stückzahl hergestellt werden. Die Geräte sind einfach und robust aufgebaut. Dadurch sind die Herstellkosten deutlich niedriger und die Produkte können in China preiswerter angeboten werden. Durch den relativ niedrigen Preis lohnt es sich für einen Wettbewerber meistens nicht, Plagiate zu entwickeln. Falls doch einmal Kopien der Geräte auftauchen sollten, betrifft das nur China, da die Geräte nur dort angeboten werden. Für einige Anwendungen haben wir außerdem bei den chinesischen Geräten die Genauigkeit herabgesetzt, sodass diese für anspruchsvollere Messaufgaben nicht geeignet sind. Sind die Erfahrungen aus China generell auch auf andere asiatische Länder übertragbar? Nein, zwischen den einzelnen Ländern gibt es gewaltige Unterschiede in der Geschäftskultur sowie unterschiedliche Anforderungen an die Produkte. Unsere Hauptmärkte in Asien sind China, Südkorea und Singapur, daneben spielen Japan, Malaysia und Thailand noch eine wichtige Rolle. Singapur ist von den Anforderungen und der Geschäftskultur noch am ehesten mit Europa vergleichbar. Der Grund liegt darin, dass viele europäische Anlagenbauer Fertigungsstätten in Singapur aufgebaut haben. Einkaufsprozesse verlaufen ähnlich wie in Europa. Südkorea ist dagegen zum einen sehr preissensitiv aber gleichzeitig auch technisch anspruchsvoll. Wir haben zum Beispiel zusammen mit koreanischen Partnern mehrere Fabriken von Samsung und LG mit Messtechnik ausgestattet. Auch für Korea mussten wir spezielle Produkte entwickeln, die jetzt in großen Stückzahlen verkauft werden. Durch die Losgrößen sind die Herstellkosten geringer, sodass am Ende der Deckungsbeitrag trotzdem stimmt. Japan ist kulturell ein sehr angenehmes Land, jedoch sind hier die Anforderungen an die Produkte am höchsten. In Japan verkaufen wir nur hochwertige Sonderbauten unserer Mess- und Analysegeräte. Blicken wir noch über die asiatischen Grenzen hinweg. Wie schätzen Sie den Zukunftsmarkt Indien ein? Aus unserer Erfahrung können wir eigentlich nur davon abraten. Es gibt kaum ein Land, das so hohe bürokratische Hürden hat. Gleichzeitig sind die indischen Kunden anspruchsvoll, preis sensitiv und oftmals schwierig im persönlichen Umgang. Zudem ist die fehlende Transparenz häufig ein Problem, da Informationen in Indien nicht selten manipuliert werden. Wir nutzen seit 2011 die indische Niederlassung eines großen süddeutschen Unternehmens für den Vertrieb unserer Produkte. Das Aufwand-/Nutzenverhältnis ist hier am schlechtesten. Bilder: Aufmacher fotolia, 01 Moll, 02 + 03 Zirox, Porträt Zirox www.zirox.de INDUSTRIELLE AUTOMATION 3/2018 37