Aufrufe
vor 7 Jahren

Industrielle Automation 3/2015

  • Text
  • Industrielle
  • Automation
Industrielle Automation 3/2015

MESSE ACHEMA

MESSE ACHEMA 2015 I SPECIAL Explosionsschutzwissen kompakt Herausforderungen und Nachweis der Eigensicherheit von Geräten und Komponenten Stefan Heusel Die Maschinenbauindustrie exportiert mit ihren Anlagen auch Sicherheitsstandards in die globalen Märkte. Auf diesem Weg gewinnt die in Deutschland und Europa vorherrschende Zündschutzart „Eigensicherheit (Ex i)“ zunehmend Verbreitung. Messgeräte dieser Kategorie erfordern im Fall von Wartung oder Austausch keine zusätzlichen Schutzvorkehrungen im Ex-Bereich. Das ist für den Anwender komfortabel. Aber es gibt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung: den Nachweis der Eigensicherheit. Für jede Explosion, ob in einem Bergwerk oder in einer Industrieanlage, müssen drei Faktoren zusammentreffen: Sauerstoff, brennbares Gas oder ein zündfähiger Staub sowie ein Zündfunken. Daraus leiten sich die grundsätzlichen Maßnahmen zum Explosionsschutz ab. Sie gliedern sich in drei Hauptbereiche: Der primäre Explosionsschutz verhindert, dass sich eine gefährliche, explosive Atmosphäre bildet, beispielsweise durch Belüftung oder Absaugung. Der sekundäre Explosionsschutz schließt die Möglichkeit aus, dass ein Zündfunken das potenziell gefährliche Luftgemisch explodieren lässt. Der tertiäre Explosionsschutz begrenzt die Auswirkungen einer Explosion. MBA Dipl.-Ing. (BA) Stefan Heusel, Produktmanager, Industrial Instrumentation, Wika Alexander Wiegand SE & Co. KG, Klingenberg Die verschiedenen Zündschutzarten Bei allen elektronischen Betriebsmitteln besteht generell die Gefahr einer Funkenbildung im Gerät. Alle Maßnahmen, die einen Zündfunken von vorneherein unterbinden, seinen Austritt in die explosive Umgebung ausschließen oder seine Energie begrenzen, werden als Zündschutzarten bezeichnet: Konstruktionstechnische Möglichkeiten bei einem Druckmessumformer zum Beispiel sind das Vergießen der elektronischen Bauteile mit Öl oder Sand (Zündschutzart „Ex m“) oder deren druckfeste Verkapselung („Ex d“). „Eigensicherheit“ („Ex i“) hingegen meint eine elektronische Lösung. Sie besteht darin, die Energie in einem Bauteil – hier im Transmitter – soweit zu reduzieren, dass sie immer unter der minimalen Zündenergie für eine explosive Atmosphäre bleibt. Die „Ex i“ und die anderen Zündschutzarten unterliegen weltweit verschiedenen Normen, in Europa der Produktrichtlinie ATEX-94/9/EG. Die normgemäße Geräte- Kennzeichnung gibt Aufschluss, für welchen Ex-Bereich das jeweilige Produkt zugelassen ist. Bei dem im Beitrag beschriebenen Druckmessumformer von Wika handelt es sich um ein eigensicheres Gerät, das in einer dauerhaft explosiven Umgebung eingesetzt werden darf (Schutzart „Ex ia“). Die Geräteklasse „1/2G“ weist darauf hin, dass der Sensor zum Beispiel in die Seitenwand eines Tanks mit explosivem Inhalt eingeschraubt werden darf, die Elektronik jedoch außerhalb und daher in einer weniger gefährlichen Zone installiert ist (siehe Bild). Wie funktioniert „Eigensicherheit“ („Ex i“) im Detail? Grundsätzlich gilt: Je größer die elektrische Leistung, desto höher ist die von einem auftretenden Funken freigesetzte (Zünd)Energie. Bei Kapazitäten entstehen Funken beim Schließen des Stromkreises, bei Induktivitäten während des Öffnens. Explosionsschutz durch Eigensicherheit bedeutet also, die Energie des Funkens zu begrenzen. In einem eigensicheren Druckmessumformer wie dem IS-3 von Wika ist sowohl im Normalbetrieb als auch im Fehlerfall immer sichergestellt, dass die Mindestzündenergie des explosionsgefährdeten Bereichs, für den das Messgerät zugelassen ist, nicht überschritten wird. Zudem übersteigt die Oberflächentemperatur niemals die zugelassenen Werte und damit die Zündtemperatur des Gas- oder Staubgemischs gemäß der in der Norm definierten Temperaturklasse. Dies wird hauptsächlich durch die Begrenzung von Spannung und Strom erreicht. Kapazität und Induktivität werden ebenfalls reduziert, um die Energie von Schließ- und Öffnungsfunken zu limitieren. Das Design des Sensors ist auf diese niedrigen Strom- und Spannungswerte abgestimmt. Für die sichere Versorgung des Transmitters ist allerdings noch immer eine zusätzliche Barriere notwendig, zum Beispiel eine Zenerbarriere oder eine eigensichere Trennbarriere. Eine Zenerbarriere besteht maßgeblich aus einer Zenerdiode und einer Sicherung. Bei Arbeiten am Stromkreis (bei Installation oder Wartung), besteht jedoch das Risiko, dass ein Kurzschluss auftritt. In solch einem Fall wird die Sicherung in der Barriere zerstört und i. d. R. muss das komplette Gerät ausge­ 40 INDUSTRIELLE AUTOMATION 3/2015

SPECIAL I MESSE ACHEMA 2015 tauscht werden. Daher empfiehlt sich die Nutzung einer eigensicheren Trennbarriere. Über einen Optokoppler – also eine integrierte Zusammenschaltung aus LED und Fotodiode – trennt dieses Gerät den eigensicheren vom nicht-eigensicheren Stromkreis galvanisch: Der Stromkreis wird auf diesem Weg erdpotentialfrei und ermöglicht somit auch eine saubere Trennung des Erdpotentials im sicheren und im gefährdeten Bereich. In manchen Fällen kann die Barriere bereits in der SPS integriert sein. Sie befindet sich dann außerhalb des Ex- Bereichs, während der Druckmessumformer, um bei dem Beispiel zu bleiben, in der gefährdeten Umgebung installiert ist. Die Verbindungskabel zwischen beiden Komponenten müssen fachgerecht verlegt und besonders gekennzeichnet sein. Hürden in der Beschaffung ATEX-konformer Geräte Die ATEX-Normen legen nicht nur die Parameter für die Eigensicherheit fest. Sie schreiben außerdem deren Nachweis vor, wenn ein „Ex i“-Gerät und ein dazugehöriges Betriebsmittel – in unserem Beispiel Druckmessumformer und Trennbarriere – zusammengeschaltet sind. Diese Maßgabe konfrontiert die Anwender mit einer komplexen Aufgabe. Das fängt schon damit an, sich über den aktuellen Standard der Normen zu informieren. Die Beschaffung der einzelnen Komponenten auf ATEX-Basis erfordert eine detaillierte Prüfung, z.B. für welche Zonen und Explosionsgruppen die einzelnen Bauteile zugelassen sind. Für den Nachweis der Eigensicherheit müssen anschließend die einzelnen Zulassungs- und Druckmessumformer IS-3 für Anwendungen in explosionsgefährdeten Bereichen; Kennzeichnung eines eigensicheren Drucksensors Sicherheitsdaten aller Bauteile zusammengetragen und lückenlos erfasst werden. Nicht jeder Hersteller stellt beispielsweise die benö tigte EG-Baumusterprüfbescheinigung zum Download zur Verfügung. Das Dokument muss in dem Fall also zusätzlich angefordert werden. „Ex i“-Druckmessumformer als All-inclusive-Lösung Sieht man einmal von petrochemischen Unternehmen ab, gehören Ex-Bereiche nicht zur Alltagsroutine der meisten Anlagenplaner und Maschinenbauingenieure; schnell verursachen die mit „Ex i“ verbundenen Tätigkeiten 2 - 3 zusätzliche Ingenieurstunden Aufwand. Alternativ dazu können sich Anwender an die Experten der Zulieferbetriebe wenden. Zusätzlich zu den eigensicheren Druckmessumformern bietet Wika das Paket aus passender Barriere sowie sämtliche Daten für den „Ex i“-Nachweis an. Dies vereinfacht das Einrichten einer ATEXgemäßen Messstelle und die Dokumentation. Bei dem Nachweis der Eigensicherheit handelt es sich, technisch gesehen, um eine Gesamtbetrachtung des Stromkreises: elektrische Größen von Messumformer, Trennbarriere und Kabel werden miteinander verglichen und festgehalten. Sind die in der Norm vorgegebenen Bedingungen eingehalten, gilt die zusammengeschaltete Messanordnung als eigensicher und kann verbaut werden. In der Dokumentation zur Eigensicherheit wird zudem die Anschlussbelegung des Gesamtsystems als Zeichnung dargestellt. Der „Ex i“-Nachwei s ist Teil des Kapitels Explosionsschutz der Anlagendokumentation. Der Betreiber gewährleistet damit, dass seine Anlage oder Maschine keine Gefahr für Leib und Leben birgt. Bilder: iStockphoto.com, Produktabbildung Wika www.wika.de Spectrometer as a Sensor © Carl Zeiss Embedded-Plattform für UV–VIS–NIR und Raman Analysen mit Ergebnissen in Echtzeit. NEU tec5 AG | www.tec5.com 15. – 19. Juni 2015 | Frankfurt Halle 4.2 | Stand K47