5FRAGEN AN... Thomas Rohrbach, Managing Director & Co-Founder der Managementberatung Neonex in Stuttgart Neben der derzeitigen wirtschaftlichen Lage sorgt der stark ausgeprägte Fachkräftemangel in viele Branchen für eine angespannte Stimmung. Thomas Rohrbach, Managing Director & Co-Founder der Management beratung Neonex erklärt, wie digitale Transformation Unternehmen dabei helfen kann, ihre Wettbewerbsfähigkeit auch international sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. 01 WIE KANN DEUTSCHLAND ALS INDUSTRIESTANDORT ZUKUNFTSFÄHIG BLEIBEN? Um diese Frage zu diskutieren, müssen wir uns auf eine Grundvoraussetzung einigen: Wir müssen zukunftsfähig bleiben wollen. Und dann darauf, was Zukunftsfähigkeit bedeutet und wie das akzeptierte Zielbild dazu aussieht. Politik und Medien verfangen sich dabei in der Diskussion über Banalitäten statt in größeren Dimensionen zu denken. Die Folgen sind Missstände wie Bildungsmisere, Innovationsschwäche und Bürokratie, die wachsen statt abgebaut zu werden. Dies ist besonders dramatisch, wenn wir den Wohlstand Deutschlands sicherstellen wollen – schließlich macht die Industrie den größten Teil unserer Bruttowertschöpfung aus und ist Basis für die Wertschöpfung der Dienstleistungsunternehmen. Wir brauchen eine tiefgreifende Transformation, die Deutschland als Standort zukunftsfähig macht. Dafür können wir aber nicht nur auf die Politik hoffen, die dafür zu lange brauchen würde. Stattdessen brauchen wir sinnvolle Rahmenbedingungen und starke Unternehmer, die eine Transformation in ihren eigenen Unternehmen deutlich schneller starten können. 02 WELCHE CHANCEN ERGEBEN SICH AUS DER DIGITALEN TRANSFORMATION? Um die Chancen zu begreifen, ist es sinnvoll, die Wirkungsmechanismen und Effekte von Digitalisierung zu betrachten. Zuerst zu den Wirkungsmechanismen: Durch die Umwandlung analoger Daten in digitale Daten wird die Übermittlung, Speicherung und Auswertung entlang der gesamten Wertschöpfung – also von Lieferant bis Kunde oder zwischen Gesellschaftsorganen und Bürgern – deutlich schneller und günstiger. Für Unternehmen ermöglicht dies den Ausbau von Wettbewerbsvorteilen: Entweder durch die Steigerung der Effizienz der Wertschöpfung durch Automatisierung, Zusammenarbeit und gesteigerte Entscheidungsqualität oder durch die Steigerung des Kundenwertes durch Individualisierung, neue Vertriebskanäle und neue Geschäftsmodelle. In öffentlichen Organen kann die digitale Transformation dabei unterstützen, Verwaltungsaufwände mittelfristig zu meistern und langfristig zu reduzieren. Schließlich sind Behörden und Ämter bereits jetzt mit alten Systemen, unbesetzten Stellen und steigendem Workload überfordert. Die Möglichkeiten der Digitalisierung bringen also in vielen Bereichen Optimierungspotenziale, die wir nutzen sollten. 34 INDUSTRIELLE AUTOMATION 2023/02 www.industrielle-automation.net
03 WIE KANN DIE DIGITALE TRANSFORMATION IM MITTELSTAND GELINGEN? Dafür sollten Unternehmenslenker daran arbeiten, die Chancen für Ihre Unternehmen zu verstehen. Sie müssen verstehen, dass ihre IT nicht länger Cost-Center, sondern ein kritischer Wettbewerbsfaktor ist. Auf dieser Basis kann eine Vision für das digitalisierte Unternehmen entwickelt werden. Dabei ist es entscheidend, die Mitarbeiter aktiv einzubinden, das Manager-Level zu qualifizieren und alle wesentlichen Prozesse „End-2-End“ zu denken und zu designen. 04 WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GIBT ES DABEI FÜR DIE INDUSTRIE ZU MEISTERN? Wir sehen vier große Herausforderungen: Die erste sind Missverständnisse und Dauerdiskussionen im Management. Außerdem betrachten unterschiedliche Unternehmenseinheiten das Thema aus ihrer eigenen Perspektive, statt eine siloübergreifende Kollaboration mit durchgängigen Prozessen umzusetzen – obwohl genau hier der größte Nutzen der Digitalisierung liegt. Die nächste Herausforderung liegt im Spagat zwischen risikoaversen IT-Abteilungen und chancenorientierten Führungskräften. Hier gilt es, Chancen und Risiken genau abzuwägen – und auf keinen Fall den Fortschritt wegen hypothetischer Risiken zu verhindern. Eine weitere Herausforderung liegt darin, den Mitarbeitern und dem Betriebsrat die Angst zu nehmen, dass es bei der Transformation um Überwachung geht – stattdessen geht es um die Unterstützung in der komplexen täglichen Arbeit, bessere, schnellere Entscheidungen und um die Vermeidung von Verschwendung. DIE FRAGEN STELLTE VANESSA WEINGÄRTNER, REDAKTEURIN INDUSTRIELLE AUTOMATION Bilder: Porträt Neonex, Schmuckbild stnazkul – stock.adobe.com www.neonex.de 05 WARUM SOLLTEN MITTEL- STÄNDISCHE UNTERNEHMEN SPÄTESTENS JETZT UMDENKEN UND HANDELN? Dafür gibt es fünf Gründe: 1. Die Auseinandersetzung ist unvermeidbar und je früher diese stattfindet, desto günstiger ist die Umsetzung. 2. Technologien und Use-Cases sind mittlerweile erprobt und bringen einen sicheren Vorteil. 3. Komplexität und Kundenanforderungen nehmen weiter zu und lassen sich nur mit Digitalisierung meistern. 4. Es wäre fahrlässig, Kostensenkungs- und Produktivitätspotentiale links liegen zu lassen. 5. Mitarbeiter verlangen von ihrem Arbeitgeber mit der Zeit zu gehen – ansonsten gehen sie mit der Zeit. Kurz erklärt Die Digitale Transformation verändert produzierende Unternehmen grundlegend. In der intelligenten Fabrik, der Smart Factory, findet Kommunikation vor allem auf digitaler Ebene statt. Hierdurch wird eine nie dagewesene Transparenz erzeugt – sowohl auf der wertschöpfenden als auf allen indirekten Prozessebenen des Unternehmens. www.industrielle-automation.net INDUSTRIELLE AUTOMATION 2023/02 35
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