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INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2020

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INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2020

Belastungsprobe

Belastungsprobe bestanden Spezielle Energieführungen verbessern die Performance von Nietrobotern im Flugzeugbau Beim Nieten von Flugzeugrümpfen drehen sich Industrieroboter tausendfach über mehrere Achsen – eine Belastungsprobe für Daten-, Pneumatik- und Energieleitungen. Um diese Herausforderung zu meistern, setzt ein spanischer Anlagenbauer auf Leitungsführungen aus einem Hochleistungs- kunststoff – entwickelt von Igus. Auf dem Flug in den Sommerurlaub kreisen die Gedanken der Passagiere vermutlich um die verdiente Erholung, schöne Strände und leckere Cocktails. Die wenigsten dürften dabei an Nieten denken. Doch diese unscheinbaren Verbindungselemente tragen nicht unwesentlich zu einem problemlosen Flug bei, denn sie halten die Rumpfteile des Flugzeugs sicher zusammen. In wochenlanger Arbeit schlagen Fachkräfte Nieten in die tonnenschweren Metallrümpfe ein. Eine Automatisierung dieser mühsamen Tätigkeit war lange Zeit unmöglich, da Roboter nicht weit genug entwickelt waren. Dies hat sich jedoch geändert. Dem Unternehmen Loxin ist es 2002 gelungen, das Nieten zu automatisieren. Die Mehrachsroboter des spanischen Unternehmens stehen bei einem großen Flugzeugbauer in der Fertigung links und rechts neben dem aufgebockten Flugzeugrumpf. Die Roboter sind auf Plattformen montiert, die sich über Lineareinheiten in mehrere Meter Höhe fahren lassen – ähnlich wie ein Gabelstapler. Auf der richtigen Höhe angekommen, bewegt sich der tonnenschwere Roboter über sechs Achsen millimetergenau zum Arbeitspunkt. Er bohrt ein Loch ins Metall, fräst eine Senke für den Nietkopf, saugt den Staub ab, trägt ein Dichtmittel auf und setzt die Niete. Winkel und Durchmesser müssen die Roboter beim Bohren, Fräsen und Nieten dabei in Abhängigkeit vom Rumpfabschnitt ständig variieren. Doch dieses flexible Multitasking war nicht die einzige Hürde, die Loxin während der Entwicklung nehmen musste. Herausforderung Energieführung Die Ingenieure mussten die Roboter als wahre Bewegungskünstler konzipieren. Zum Einsatz kommen sechs Achsen, über die sich der Kopf an jede Stelle des Rumpfes bewegen kann. Entsprechend kompliziert ist das Thema Energieführung. Die Werkzeuge am Endeffektor der Roboter sind mit zahlreichen Energie-, Pneumatik- und Datenleitungen verbunden. Und diese Leitungen müssen den Verrenkungen des Arms auch in hohem Tempo perfekt folgen – ohne aneinander zu reiben oder gegen die empfindliche Oberfläche des Rumpfes zu schlagen. Ansonsten drohen lange Ausfallzeiten wegen Kabelbrüchen und Beschädigungen des Flugzeugs. Auf der Suche nach einer zuverlässigen Energieführung hat Loxin Systeme mehre­ rer Hersteller verglichen. „Wir fanden jedoch lange Zeit keine widerstandsfähige und vertrauenswürdige Lösung“, erinnert sich Unai Martínez, leitender Ingenieur bei Loxin. „Die Anzahl der Leitungen und das Gewicht waren ein Problem.“ Das Unternehmen hatte z. B. mit Wellrohren experimentiert. Wegen der schnellen Abnutzung durch Reibung sind sie allerdings an vielen Stellen gebrochen. Im Alltag hätte das Materialversagen den Austausch des gesamten Rohres bedeutet, inklusive der Demontage der Leitungen an den Köpfen. Dies hätte schlimmstenfalls zu mehreren Tagen Stillstand geführt. 3D-Bewegungen spielend und gekonnt meistern Fündig wurde Loxin schließlich in Deutschland. Bei Igus – dem Motion-plastics-Spezialisten aus Köln, der seit Jahrzehnten Leitungsführungen entwickelt. Zum Sortiment zählt unter anderem die Triflex-Serie. Das sind schlauchähnliche Schutzkäfige aus verschleißfestem Hochleistungskunststoff, welche selbst den wildesten dreidimensionalen Bewegungen von Industrierobotern folgen. Im Inneren liegen die Leitungen für Daten, Pneumatik und Energieversorgung – gut fixiert und geschützt vor Verschleiß. „Die Leitungen sind sicher vor mechanischem Stress durch Zuglast, Verdrehungen und Ausdehnung. Dieser Schutz ist besonders Jörg Ottersbach, Geschäftsbereichsleiter e-ketten bei der igus GmbH in Köln 32 INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2020

STEUERN UND ANTREIBEN 01 Sicher geschützt: Die Leitungen für die Werkzeuge am Endeffektor des Roboterarms sind in schwarzen, dreidimensional beweglichen Triflex-Ketten untergerbracht 02 Erfolgreiche Teamarbeit (v.l.): Francisco Martinez, Sales Manager E-Kettensysteme von Igus Spanien, Unai Martinez Diez, Senior Sales Engineer, David Jimenez Gorricho, Electrical Engineer, Joseba Arzoz Alzate, Automation Leader und Mikel Arrese Arregui, Service Manager (alle Loxin) dann wichtig, wenn die Roboterköpfe ihre Maximalposition einnehmen“, erklärt Unai Martínez. Damit die Triflex-Energieketten, die rechts und links am Arm montiert sind, sich möglichst dicht am Arm bewegen und nicht gegen das Flugzeug schlagen, nutzt Loxin das Rückzugsystem Triflex RSE. Gelangt der Roboterarm nach einer Bewegung in seine Ausgangsposition zurück, zieht das mechanische System die Kette zurück – für die sichere Führung sorgen runde, am Arm montierte Halterungen. Somit hat der Roboterarm volle Bewegungsfreiheit, ohne dass Teile der Kette aneinander reiben oder sich Schlaufen bilden. „Die Energiekette von Igus hat im Vergleich zum Wellrohr zudem ein viel besseres Verhalten bei Reibung und wird deshalb auch nicht brechen und einen Stillstand verursachen“, so Martínez. Und sollte einmal ein Kettenglied das Ende der Lebensdauer erreichen, lässt es sich mit „Wir sind mit der Lösung sehr zufrieden, da unsere Anlagen nun weniger Stillstandzeiten haben.“ Unai Martinez, Senior Sales Engineer bei Loxin wenigen Handgriffen austauschen. Durch den Einsatz der Triflex-Ketten im Zusammenspiel mit dem Rückzugsystem Triflex RSE hat Loxin außerdem eine bessere Beweglichkeit der Roboter erreicht, die ihre Arbeitsschritte nun noch einfacher rund um den Flugzeugrumpf erledigen können, was wertvolle Montagezeit spart. 540 Grad bei Geschwindigkeiten von bis zu 1 m/s Am Roboterarm kommt ein weiteres Produkt aus Köln zum Einsatz: Die Twisterchain, eine Energiekette, welche die Leitungen vom Fuß des Roboterarms bis zur ersten Achse schützt. Die Kette bewegt sich in einer Führungsrinne. Dreht sich der Roboterarm, faltet sich die Kette, indem sich der Obertrum der Kette auf den Untertrum legt. Die Kette ermöglicht auf diese Weise eine kreisförmige Bewegung von bis zu 540 Grad – bei Geschwindigkeiten von bis zu einem Meter pro Sekunde. Da sie ebenfalls aus Hochleistungskunststoffen besteht, ist sie sehr verschleißfest. Tests im Labor von Igus haben gezeigt: Die Lebensdauer der Energiekette liegt bei mehr als einer Million Zyklen. Bilder: igus GmbH www.igus.de