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Industrielle Automation 5/2016

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Industrielle Automation 5/2016

Gekühlt und ungekühlt?

Gekühlt und ungekühlt? Hochgeschwindigkeits-Anwendungen erfordern spezielle Wärmebildkameras Markus Moltkau, Frank Liebelt Wärmebildkameras kommen bereits seit vielen Jahren mit großem Erfolg bei zahlreichen Automatisierungsanwendungen zum Einsatz. Von der automatisierten Inspektion über die Prozesskontrolle und die Zustandsüberwachung bis hin zur kontinuierlichen Gasdetektion. Je nach Applikation sind unterschiedliche Funktionen und Merkmale der Kameras erforderlich. Nur dann lassen sich Fehler oder Defekte einwandfrei aufspüren und Messergebnisse zielführend weiterverarbeiten. Fertigungs- und Verfahrenstechnikspezialisten setzen häufig Automatisierungstechniken ein, um die Durchsatzrate und die Produktqualität zu erhöhen. Mit automatisierter Wärmebildtechnik lassen sich zahlreiche industrielle Produktionsanwendungen verbessern, u. a. die Prozessüberwachung und -kontrolle, die Qualitätssicherung, das Asset Management und die Maschinenzustandsüberwachung. Wärmebildkameras erkennen die für das menschliche Auge unsichtbare Wärmestrahlung und wandeln diese in ein visuelles Bild um, das die Temperaturunterschiede auf dem jeweiligen Objekt oder im jeweiligen Bereich sichtbar macht. Manchmal werden Wärmebildkameras auch als intelligente Sensoren bzw. Smart-Sensoren bezeichnet. Dann verfügt die betreffende Wärmebildkamera über integrierte Logikund Analysefunktionen, mit denen sie die gemessenen Temperaturen mit den vom Anwender bereitgestellten Temperaturdaten vergleichen kann. Außerdem ist sie mit einer digitalen E/A- Schnittstelle ausgestattet, damit sich die Temperaturdifferenz für Alarm- und Kontrollfunktionen nutzen lässt. Gekühlte und ungekühlte Wärmebildkameras Die Auswahl von Wärmebildkamerasystemen für Automatisierungsanwendungen ist riesig. Deshalb fragen sich viele Anwender: „Soll ich ein gekühltes oder ein ungekühltes Wärmebildkamerasystem einsetzen, und welches davon ist am preisgünstigen?“ Generell sind zwei verschiedene Arten von Wärmebildkameras auf dem Markt erhältlich: gekühlte und ungekühlte Systeme. Da die Kosten bei beiden Systemen konstruktionsbedingt sehr unterschiedlich ausfallen können, sollte man vorher genau abwägen, welches davon am besten zur jeweiligen Anforderungen passt. Bei einer modernen gekühlten Wärmebildkamera ist der Bildsensor in einem Kryokühler eingebettet. Dieser senkt die Sensortemperatur auf ein besonders niedriges, kryogenes Niveau. Diese Absenkung ist notwendig, um das wärmeinduzierte Rauschen permanent auf ein Niveau zu reduzieren, das unterhalb des Signalpegels liegt, den der erfasste Gegenstand oder Bereich an die Umgebung abstrahlt. Gekühlte Wärmebildkameras besitzen von allen Kameratypen die besten Empfindlichkeitseigenschaften und können selbst geringste Tem- peraturunterschiede zwischen den Objekten erkennen. Sie lassen sich für die Bilderfassung im mittelwelligen Band des Infrarotspektrums (MWIR) herstellen, in denen der Wärmekontrast aufgrund der physikalischen Schwarzkörperstrahlung am stärksten ist. Der Wärmekontrast steht für die Signaländerung bei einer entsprechenden Temperaturänderung des Zielobjekts. Je höher der Wärmekontrast ausfällt, desto einfacher lassen sich die betreffenden Zielobjekte vor einem Hintergrund erkennen, der nicht wesentlich kälter oder wärmer ist als sie selbst. Ungekühlte Infrarotkameras sind Wärmebildkameras, deren Bildsensor nicht durch einen Kryokühler gekühlt werden muss. Eine gängige Detektorbauweise basiert auf dem Mikrobolometer, einem winzigen Vanadiumoxid-Widerstand mit hohem Temperaturkoeffizienten, der auf einem Siliziumelement mit großer Oberfläche, niedriger Wärmekapazität und guter Wärmeisolierung montiert wird. Wenn sich die Temperatur im überwachten Bereich ändert, ändert sich auch die Bolometertemperatur. Diese Änderungen werden in elektrische Signale und anschließend in ein für das menschliche Auge aussagekräftiges Bild umgewandelt. Ungekühlte Sensoren sind speziell für die Bilderfassung im langwelligen Band des IR- Spektrums (LWIR) konzipiert, in dem die terrestrischen Temperaturziele den Großteil ihrer Infrarotenergie abstrahlen. Das Preisniveau ungekühlter Kameras ist in der Regel konstruktions- und produktionsbedingt niedriger im Vergleich zu gekühlten Infrarotkameras. Dipl.-Ing. (FH) Markus Moltkau, Business Development Manager, Flir Systems GmbH, Frankfurt am Main, Lothar Liebelt, Freier Journalist, Frankfurt am Main 74 INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/2016

Vorteile gekühlter Kameras in High-Speed-Anwendungen Gekühlte Wärmebildkameras sind dann das beste Mittel der Wahl, wenn z. B. kleinste Temperaturunterschiede innerhalb kurzer Zeitabstände erkannt oder sich schnell bewegende oder erwärmende Zielobjekte gemessen werden müssen. Sie eignen sich auch dann, wenn eine hohe Bildqualität erforderlich ist, das Wärmeprofil oder die Temperatur eines sehr kleinen Zielobjekts erkannt oder gemessen werden muss, die Wärmeobjekte in einem ganz bestimmten Teil des elektromagnetischen Spektrums sichtbar gemacht werden sollen oder die Wärmebildkamera mit anderen Messinstrumenten synchron zu laufen hat. Gekühlte Kameras zeichnen sich im Vergleich zu ungekühlten Kameras durch ihre wesentlich höheren Bilderfassungsgeschwindigkeiten aus. Automatisierungskameras wie die Kameras der Flir A66xx-Serie können dank ihrer hohen Bildrate bis zu 480 Bilder/s aufnehmen. Dadurch eignen sie sich beispielsweise ideal für die Überwachung der Fertigungsqualität bei High- Speed-Fließbandanwendungen. Zudem zeichnen sich gekühlte Kameras durch ihre besonders schnellen Reaktionszeiten aus und verwenden einen globalen Auslöser. Das heißt, dass sie alle Bildpunkte (Pixel) auf einmal auslesen können, also nicht Zeile für Zeile, wie es bei ungekühlten Kameras der Fall ist. Dies prädestiniert sie zum Beispiel für den Einsatz bei Papierverarbeitungsprozessen oder in der Großmengenfertigung, da die Fertigungslinien hier mit einer hohen Geschwindigkeit laufen. Räumliche Auflösung und Empfindlichkeit Da gekühlte Kameras kürzere Infrarot-Wellenlängen erfassen, bieten sie im Vergleich zu ungekühlten Kameras in der Regel auch eine höhere Vergrößerungsleistung. Außerdem lassen sich aufgrund ihrer höheren Empfindlichkeitswerte Objektive mit mehreren oder stärkeren optischen Elementen verwenden, um eine höhere Vergrößerungsleistung zu erzielen, ohne dass sich der Signalrauschabstand dadurch verschlechtert. Die Wärmebilder in Abbildung oben rechts vergleichen die jeweils maximale Vergrößerung bei Nahaufnahmen, die sich mit einem gekühlten und einem ungekühlten Kamerasystem erzielen lässt. Das linke Bild wurde von einer gekühlten IR-Kamera mit einem 4-fach- Makroobjektiv und 13 μm Detektorabstand aufgenommen. Das Resultat ist ein 3,5 μm großer Messpunkt. Das rechte Bild wurde von einer ungekühlten IR-Kamera mit einem 1-fach-Makroobjektiv und 25 μm Detektorabstand aufgenommen. Das Resultat ist ein 25 μm großer Messpunkt. Von einer gekühlten Wärmebildkamera aufgenommenes Bild einer Elektronikplatine (li.); von einer ungekühlten Wärmebildkamera (re.) Eine gekühlte Kamera besitzt zudem eine höhere Empfindlichkeit und kann im Vergleich zur ungekühlten Variante geringere Temperaturunterschiede wesentlich länger erkennen und besser darstellen. Spektralfilter machen Unsichtbares sichtbar Eine der größten Vorteile von gekühlten Wärmebildkameras ist, dass man damit eine einfache Spektralfilterung vornehmen kann, die Details sichtbar und Messungen möglich macht, die mit ungekühlten Wärmebildkameras entweder unsichtbar bleiben würden oder gänzlich unmöglich wären. Beispielsweise sind sie in der Lage durch Glas hindurchzusehen oder gefährliche Gase wie Benzol, Ethanol, Methanol und Oktan bei Gasanlagen aufzuspüren, die sich an entlegenen Orten oder in schwer zugänglichen Bereichen befinden. Eine weitere Anwendung ist die Qualitätsüberwachung des Kalander-Prozesses bei der Kunststoffverarbeitung. Präzise Synchronisation Dank ihrer präzisen Synchronisation und Auslösung eignen sich diese Kameras ideal für hochsensible Hochgeschwindigkeitsanwendungen. Im Snapshot-Modus kann die Flir A66xx alle Bildpunkte eines Wärmeereignisses gleichzeitig erfassen. Dies ist Kompakte Wärmebildkamera mit gekühltem InSb-Detektor vor allem beim präzisen Erfassen von sich schnell bewegenden Objekten wichtig – eine Anwendung, bei der herkömmliche ungekühlte Wärmebildkameras in der Regel nur stark verzerrte Bilder liefern. Ein schönes Beispiel aus dem Alltag beschreibt dies auf anschauliche Weise: man lässt eine Münze fallen, während die Aufnahmefunktion der Kamera von einem Auslösesensor gesteuert wird. Dieselbe Münze wird zweimal fallen gelassen. Der Sensor löst die Wärmebildkamera immer genau dann aus, wenn sich das Objekt auf gleicher Höhe befindet. Mit einer ungekühlten Mikrobolometer-Kamera könnte die Münze entweder überhaupt nicht erfasst werden oder man erhält lediglich durch Zufall ein stark verzerrtes Bild der Münze auf einer nicht steuerbaren Höhe. Vielseitige Infrarot-Technologie Flir Systems zählt zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Sensorsystemen, die die Wahrnehmung und das Bewusstsein stärken. Die Systeme kommen in vielen Awendungen zum Einsatz, u. a. in den Bereichen Zustandsüberwachung und Forschung & Entwicklung. Fotos: Aufmacher Shutterstock, Sonstige Flir www.flir.de Flir bietet eine Lösung für praktisch jede Automatisierungsanwendung, von preisgünstigen ungekühlten Kameras bis hin zu High-End-Wärmebildkameras wie der Flir A66xx. Diese Kamera verfügt über einen gekühlten Indium- Antimonid-Detektor (InSb) und liefert gestochen scharfe Wärmebilder mit einer Auflösung von 640 × 512 Pixeln. Zudem bietet sie eine hohe thermische Empfindlichkeit von < 20 mK. Dadurch kann die Kamera selbst feinste Bilddetails und kleinste Temperaturunterschiede erfassen. Die Kamera unterstützt Bildraten von bis zu 480 Bildern/s im Fenstermodus. Zusätzlich sind kundenspezifische Kaltfilteroptionen zur Anpassung des Spektralbereichs an Sonderaufgaben erhältlich. Sie eignet sich ideal für die Bildgebung durch Glas, die Temperaturmessung von Dünnschichtkunststoffen, die Filterung verschiedener Wellenlängen zur Laserprofilvermessung und -detektion sowie für die optische Gasdetektion. INDUSTRIELLE AUTOMATION 5/2016 75