Aufrufe
vor 7 Jahren

Industrielle Automation 3/2016

  • Text
  • Industrielle
  • Automation
Industrielle Automation 3/2016

INDUSTRIELLE

INDUSTRIELLE KOMMUNIKATION Neue Vielfalt in der Sensorwelt Smart Sensor und Smart Connected Sensor – warum der Unterschied so wichtig ist Industrie 4.0-konforme Sensoren Klaus-Dieter Walter Industrie 4.0 und das Industrial Internet of Things (IIoT) erfordern Sensoren mit deutlich verbesserten Kommunikationseigenschaften. Solche Sensoren müssen in Zukunft nicht nur Sensormessgrößen an eine Steuerung liefern, sondern darüber hinaus auch noch eine Smartphone-App oder sogar eine Cloud-Serviceplattform direkt mit Messdaten versorgen. Mit einem derartigen „Smart Connected Sensor“ lassen sich dann Wertschöpfungsketten vernetzen und digitale Geschäftsmodelle realisieren. Klaus-Dieter Walter ist Geschäftsführer der SSV Software Systems GmbH in Hannover In der Prozess- und Fertigungsautomatisierung existieren unzählige Sensoren, die über eine einfache analoge oder digitale Schnittstelle direkt mit einer Steuerung verbunden sind. Sie dienen dazu, den Ist- Zustand bestimmter physikalischer Größen zu messen und an eine Steuerungssoftware zu übermitteln, damit diese nach der Auswertung neue Soll-Vorgaben gemäß dem programmierten Regelwerk an Aktoren schicken kann. Im einfachsten Fall besteht ein Sensor aus einem Element zur Messgrößenerfassung mit analogem Ausgang. Aus der physikalischen Messgröße wird ein korrespondierendes analoges Ausgangssignal (Strom, Spannung, Widerstand) erzeugt, dass in der Steuerung digitalisiert und verwertet wird. Es sind allerdings auch zahlreiche „smarte Sensoren“ im Praxiseinsatz. Als „Smart“ wird ein Sensor bezeichnet, der neben dem Sensorelement zur Messgrößenerfassung eine integrierte Signalkonditionierung und einen zusätzlichen Mikroprozessor für die Signalverarbeitung besitzt. Der Sensormesswert steht der Steuerungssoftware dann über eine digitale Kommunikationsschnittstelle (z. B. Modbus, CAN, CANopen, IO- Link, Ethernet usw.) zur Verfügung. Solche Schnittstellen lassen sich über den Mikroprozessor eines Smart Sensors recht einfach und kostengünstig realisieren. Für zukünftige Anwendungen im Umfeld von Industrie 4.0 (I4.0) und dem Industrial Internet of Things (IIoT) reichen die klassischen Sensoren nicht mehr aus. Schließlich will man hier komplette Wertschöpfungsketten mit externen und internen Fertigungsprozessen, die Logistik, die Produktnutzung durch den Kunden, den After- Sales-Service usw. vollständig vernetzen und sogar neue serviceorientierte bzw. digitale Geschäftsmodelle schaffen. In der Praxis werden aber noch keine I4.0/IIoT-konformen Sensorsysteme angeboten. Sie müssen durch ein individuelles Engineering für jeden Anwendungsfall zunächst geschaffen werden. Dabei gibt es gerade in der Prozessund Fertigungsautomatisierung durch Internet-basierte Kommunikationsaufgaben schon heute einen Bedarf an Sensoren, die etwas mehr können als eine physikalische Messgröße in einen 4 - 20 mA Strom oder ein digitales Feldbusdatum umzuwandeln. Der Industrie 4.0-konforme bzw. IIoTgeeignete Sensor der Zukunft mit „Verwaltungsschale“ und virtueller Repräsentanz ist bereits ab Werk mit einer offenen IT- Serviceplattform gekoppelt, um anderen Anwendungen den Zugriff auf die aktuellen Sensordaten zu ermöglichen. Ein solcher Smart Connected Sensor (SCS) benötigt idealerweise zwei Schnittstellen: Eine ist mit der Cloud, die andere – wie bisher – mit einer Steuerung verbunden. Überschaubare Herausforderungen Die erweiterten Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeiten künftiger Industrie 4.0-geeigneter bzw. IIoTfähiger Sensoren stellen eine technische Herausforderung dar, die sich durch den Einsatz passender Werkzeuge mit überschaubarem Aufwand bewältigen lässt. Ein IoT-Technologie-Stack für Sensoren, wie z. B. Thinglyfied (http://goo.gl/MzNr6O), hilft bei der Umsetzung und ermöglicht wettbewerbsfähige Sensoren mit höherem Kundennutzen. 60 INDUSTRIELLE AUTOMATION 3/2016

INDUSTRIELLE KOMMUNIKATION Welche Eigenschaften hat ein Smart Connected Sensor Ein Smart Connected Sensor wandelt die Messgröße direkt oder indirekt in systemfähige Datenwerte bzw. Informationen um, die als virtuelle Repräsentanz auf einer Serviceplattform für weitere Anwendungen zur Verfügung stehen. Zu einem Smart Connected Sensor gehört daher immer eine spezielle (Cloud-) Serviceplattform zur Weitergabe der Messgrößen, ohne dass dafür ein zusätzliches Engineering erforderlich wäre. Über die Cloud-Serviceplattform müssen sich Zusatzfunktionen realisieren lassen, zum Beispiel der Abgleich der vom Sensor erhaltenen Messgröße mit einer IT-Datenbank, um die Messdaten in einen Anwendungskontext zu setzen und bei Bedarf einen Alarm oder eine Benachrichtigung zu verschicken. Stellen Sie sich als Beispiel einfach einen Füllstandssensor vor, der den jeweils gemessenen Füllstand bei jeder Änderung an eine Cloud-Serviceplattform im Internet schickt. Dort wird der Messwert von einer dem SCS zugeordneten Softwarekomponente entgegengenommen und bezüglich bestimmter Grenzwerte geprüft. Wird zum Beispiel der Wert für den Mindestfüllstand unterschritten, verschickt die Serviceplattform eine Auffüllbenachrichtigung an eine hinterlegte Adresse. Die Bedeutung eines Dual-use-Interface Um sowohl eine Cloud als auch die lokale Steuerung mit Messwerten zu versorgen, benötigt der SCS zwei voneinander unabhängige Kommunikationsschnittstellen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Über ein solches Dual-use-Interface wird – wie bei einem Smart Sensor – eine Steuerung per Modbus, CAN, CANopen, IO-Link, Ethernet usw. mit den Sensordaten versorgt. Das zusätzliche Sensor-Interface ist indirekt oder direkt mit einer Cloud-Serviceplattform verbunden. Ändert sich der Sensor-Datenwert um einen bestimmten Prozentsatz, wird ein Daten-Update an die Cloud geschickt und dort gespeichert. In der Cloud existiert zum Beispiel ein JSON-Datenobjekt als virtuelle Repräsentanz für die Sensordaten. Dieses Datenobjekt beinhaltet zu jedem Zeitpunkt das aktuelle Messgrößenabbild des jeweiligen Sensors. Auf die virtuelle Repräsentanz der Sensordaten können 01 Ein Smart Connected Sensor (SCS) mit einem Dual-use-Interface besteht aus Sensorelementen zur Messgrößenerfassung, einer analogen Signalkonditionierung, einem A/D-Wandler und zwei voneinander unabhängigen Kommunikations-Interfaces 02 Die Cloud ermöglicht umfangreiche Zusatzfunktionen wie die Überwachung einzelner Sensordatenpunkte mithilfe einer IT-Monitoring-Software: In der Cloud wird ein JSON-Datenobjekt als virtuelle Sensordatenrepräsentanz geschaffen und per Thinglyfied Connector Script (TCS) der Monitoring-Software ein HTTP-basierter Zugriff auf das JSON-Datenobjekt zur Verfügung gestellt andere Anwendungen über Standard-IT- Schnittstellen zugreifen. IoT-Technologie- Stacks für Sensoren, wie z.,B. Thing lyfied, ermöglichen darüber hinaus die Ausführung spezieller Script-Programme direkt in der Cloud, um die für eine bestimmte Anwendung erforderlichen Zusatzfunktionen zu realisieren. Direkte oder indirekte Vernetzung Ein Smart Connected Sensor kann auf unterschiedliche Art und Weise mit der Cloud-Serviceplattform kommunizieren. Im für den Anwender einfachsten Fall besitzt der Sensor ein internes 2G/3G/4G­ Mobilfunkmodem mit integrierter SIM- Karte und kann über das Mobilfunknetz eines Netzwerkproviders die Cloud erreichen. Diese Lösung ermöglicht eine vollständige Vorkonfiguration ab Werk, sodass der Sensor im Feld einfach nur noch installiert werden muss. Auch ein integriertes Wi-Fi-Interface ist denkbar. In diesem Fall muss der SCS aber zumindest vor Ort für den jeweiligen Wi-Fi Access Point konfiguriert werden, was zusätzlich eine spezielle Konfigurationsschnittstelle erfordert. In beiden Fällen (Mobilfunk und Wi-Fi) sind ein vollständiger TCP/IP-Stack sowie spezielle Security-Bausteine zur Abwehr von Cyber-Angriffen direkt im SCS notwendig. Es ist aber auch eine „Wireless Sensing“- SCS-Variante möglich, die per Short-Range „Hochspezialisierte Sensoren mit Internet-Verbindung und Zusatzfunktionen sind gefragt“ Wireless Network (z. B. ZigBee, Bluetooth, Wireless M-Bus) mit einem speziellen Gateway kommuniziert, das die Sensormessgrößen an die Cloud-Serviceplattform weiterleitet. Dann sind TCP/IP plus Security nur im Gateway erforderlich. Der einzelne Wireless Sensing-Knoten wäre dann sehr viel kostengünstiger realisierbar. Für viele Anwendungen reicht es aus, wenn der Sensor lediglich eine preiswerte Bluetooth Low Energy- (BLE-) Schnittstelle besitzt und zusammen mit einer Smartphone-App ausgeliefert wird. Der Sensor selbst hat dann keine direkte Verbindung in die Cloud. Diese wird über die App realisiert. Die App kann Sensordaten vorverarbeiten, verändern, zwischenspeichern und auch gleich vor Ort visualisieren. Dabei ist zum Beispiel die Ist-Zustands-Visualisierung durch die direkte BLE-basierte Abfrage der Sensormessgrößen möglich. Gleich ­ zeitig ist aber auch eine Historie darstellbar, indem die App per Cloud-Serviceplattform einfach die Vergangenheitsdaten für den betreffenden Sensor anfordert. www.ssv-embedded.de INDUSTRIELLE AUTOMATION 3/2016 61