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Industrielle Automation 2/2018

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Industrielle Automation 2/2018

HANNOVER MESSE

HANNOVER MESSE 2018 Tradition und Moderne Innovationstreiber für eine zunehmend automatisierte Fertigung von automobilen Bordnetz-Systemen LIVE@ Bordnetze gehören zu den wichtigsten Bauteilen im Fahrzeug. Im Bereich der Elektromobilität gewinnt daher die Automatisierung zunehmend an Bedeutung; der Trend der Digitalisierung ermöglicht das autonome Fahren und bringt damit die Entwicklung und Fertigung von Bordnetz- Systemen voran. Vernetzte Maschinen in Produktionswerken, virtuelle Realität und Cobots werden zukünftig das Bild einer modernen Fertigung prägen. Produziert werden Kabelsätze bisher weitgehend händisch – und das seit Beginn der automobilen Bordnetzproduktion. Zwar sind die bekannten Nagel- den modernen Montagebrettern gewichen und sehen heute auch komplett anders aus. Der Grundgedanke blieb jedoch erhalten: die manuelle Montage. Bemühungen, die vorwiegend manuelle Produktion zu automatisieren, starteten schon sehr früh, wurden aber durch die Ost-Erweiterung der EU und die Verfügbarkeit von günstigen Arbeitskräften sowie den hohen Kostendruck wieder verworfen. Bis heute konnte sich lediglich die automatisierte Montage von Kontaktteilen in Steckgehäuse durchsetzen. Besonders schwer zu verarbeiten sind biegeschlaffe Bauteile – und das nicht nur im Bordnetzgeschäft. Lösungen, die den Menschen als Montagearbeiter nachahmen sind dabei nur bedingt geeignet. Vielmehr ist es notwendig, den gesamten Fertigungsprozess neu zu überdenken und moderne technische Möglichkeiten zum Einsatz zu bringen, die der steigenden Komplexität des Bordnetzes gerecht wird. Denn während in seinen frühen Anfängen nur wenige Leitungen zum Einsatz kamen, sind in heutigen Fahrzeugen Leitungslängen von sechs Kilometern und mehrere tausend Einzelkomponenten verbaut – insgesamt kann ein Kabelsatz bis zu 60 kg wiegen. Darüber hinaus wird das Bordnetz als ‚Kundenspezifischer Kabelsatz‘ (KSK) speziell für Fahrzeuge in Losgröße 1 – also mit hoher Varianz bei großen Stückzahlen – gefertigt und an OEMs überall auf der Welt geliefert. Treiber der Automatisierung Warentransporte ins Fertigwarenlager werden schon heute mithilfe eines autonom fahrenden Transportfahrzeugs abgewickelt. Lösungen, die in vielen Industrien bereits 01 Mithilfe der Augmented-Reality-Technologie können Anwender in Echtzeit Textinformationen und Grafiken direkt an der Maschine oder Anlage einsehen 02 Die Fertigung der Bordnetz-Systeme geschieht weitgehend händisch – und das seit Beginn der automobilen Bordnetzproduktion (im Jahr 1980, links) 38 INDUSTRIELLE AUTOMATION 2/2018

HANNOVER MESSE 2018 Stand der Technik sind, sind jedoch bei den Bordnetzherstellern kaum im Einsatz – die Gründe dafür liegen mehr in der flexiblen Fertigungsstruktur als in der Technologie selbst. Geführte Flurförderfahrzeuge, die auf einem Induktions- bzw. Magnetstreifen geführt werden, haben sich nicht bewährt, da eine große Anzahl von Mitarbeitern die Führung der Fahrzeuge stört. Autonome Transportfahrzeuge sind hier viel flexibler, denn sie erkennen Hindernisse, und gelangen zuverlässig ans Ziel. Aber auch in anderen Bereichen werden die Fertigungsprozesse neu überdacht – denn veränderte Produktanforderungen werden die bisherige Fertigung in Frage stellen. Es wird immer wichtiger, eine Rückverfolgbarkeit einzelner Fertigungsschritte zu gewährleisten. Dies erfordert, kritische Prozesse, zum Beispiel das manuelle Crimpen und montieren, stärker zu automatisieren, um zum einen den Fertigungsprozess zu dokumentieren und zum anderen der Miniaturisierung Sorge zu tragen. Besonders das autonome Fahren erfordert einen höheren Automatisierungsgrad und ist Treiber der Entwicklung: Das Bordnetz in diesen Fahrzeugen könnte zumindest in Teilen als sicherheitsrelevantes Bauteil eingestuft werden, da es relevante Funktionen und Systeme mit Energie und Daten versorgt – nur über eine automatisierte Produktion ist es dann möglich, den verschärften Forderungen nach Qualität, Prozessüberwachung und -dokumentation nachzukommen. So kann nur eine Maschine beispielsweise sicherstellen, dass ein Kabel immer mit derselben Kraft in ein Gehäuse gesteckt wird. Neuen Produktspezifikationen gerecht werden Die steigende Datenrate bei der Datenübertragung in künftigen Fahrzeugen stellt zudem höhere Anforderungen an die Konfektion der Leitungen: Datenprotokolle und Sonderleitungen lassen sich nur aufwendig manuell produzieren. Die Folge: Die automatische Fertigung von Datenleitungen wird sich zum Standard entwickeln. Einen hohen Anteil könnten dabei die Koax- bzw. Mini-Koax-Verbindungen darstellen. Auch hier produziert Leoni bereits vollautomatisch und konfektioniert Fakra-Leitungen, die speziell für die hohen Anforderungen in der Automobil-Industrie entwickelt wurden. Gerade der Ethernet-Standard erfordert eine weitgehende Automatisierung um die straffen Produkt spezifikationen einhalten zu können. Darüber hinaus steigen auch die Sicherheitsanforderungen an einzelne Produkte: Neben niedrigen Ausfallraten fordern Automobilhersteller vermehrt eine Prozessüberwachung, die neben der Crimp-Kraft auch weitere Prozessparameter, wie etwa die Bestückungskraft dokumentiert. Möglich ist das nach heutigem Stand der Technik nur durch eine automatisierte Fertigung. Nur eine automatisierte Produktion wird den hohen Forderungen nach Produktqualität und Prozessüberwachung gerecht Die Elektromobilität begünstigt die Automatisierung ebenfalls. Noch werden die aufwendigen Hochvolt-Kabelsätze in relativ geringen Stückzahlen gefertigt, doch für die sich abzeichnenden, größeren Volumen ist eine Fertigung mit hohem manuellen Anteil nicht mehr sinnvoll. Bisher sind die Produkte, Steckverbinder vor allem für geschirmte Leitungen, jedoch nicht automatisierungsgerecht ausgelegt – hier sind die Komponentenhersteller gefragt. Leoni entwickelt bereits Komponenten, die sich vor allem für die automatisierte Montage eignen. Effizient: kollaborierende Roboter in der Leitungsvorbereitung Seit 2014 fertigt Leoni außerdem Teilkabelsätze vollautomatisch. Hierbei werden Maschinen eingesetzt, die Leitungen ablängen, Kontaktteile anschlagen und in die dafür vorgesehenen Gehäuse einstecken. Auch Stromverteiler, zum Beispiel Sicherungsund Relaisboxen, werden automatisiert produziert: Seit 2015 verfügt Leoni zudem über eine vollautomatische Fertigung für 03 Hochvolt-Kabelsatz für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (links), vollautomatisierte Montage von Stromschienen (oben) Stromschienen (Busbars), die die herkömmliche Unterflur-Batterieleitung ersetzen. Zudem laufen derzeit auch Versuche mit kollaborierenden Robotern: Dabei wird z. B. deren Einsatz im Bereich der Leitungsvorbereitung getestet. Erste Beobachtungen zeigen, dass die Zusammenarbeit mit einem Roboter den Mitarbeiter in der Produktion entlastet und die Effizienz steigert. Virtual Reality hält ebenfalls Einzug in der Planung von Produktionsabläufen, die ebenso eine Erhöhung der Effizienz in der Produktion unterstützt. Hier arbeitet Leoni aktiv mit OEMs zusammen, um etwa Prozessabläufe bei Änderungen oder Qualitätsthemen effizienter umzusetzen. Investitionen in die Infrastruktur Für die Weiterentwicklung der automatisierten Fertigung ist es nicht nur erforderlich, in Maschinen zu investieren, sondern auch in die Infrastruktur der Werke. Hierzu gehört u. a. die Anbindung an das schnelle Internet. Wichtig ist aber auch eine Kultur, in der Technik als Chance begriffen wird. Bis 2020 plant Leoni die vollautomatisierte Montage kleinerer Leitungssätze. Die Fertigungszelle eignet sich dann vor allem für sog. HaF- oder HaD-Leitungssätze – speziell für die Anforderungen an das autonome Fahren, aber auch für die kundenspezifische Kabelsatzfertigung mit autarken Modulen: Denn die Nachfrage nach Varianten, z. B. im Leitungssatz der Tür oder bei bisher standardisierten Modulen, steigt – und damit auch die Komplexität. Bilder: Schmuckbild Fotolia, sonstige Leoni www.leoni.com Klaus Hold, Director Advanced Production and Automation Technology bei der LEONI Bordnetz- Systeme GmbH in Kitzingen INDUSTRIELLE AUTOMATION 2/2018 39