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INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2021

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INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2021

SZENE IoT-Lösungen als

SZENE IoT-Lösungen als Effizienztreiber Warum estnische Industrie-Unternehmen Vorreiter in der Digitalisierung sind Tiina Kivikas, Export Adviser Wirtschaftsförderung, Enterprise Estonia, Büro Deutschland in Nürnberg Deutsche Unternehmen befinden sich aktuell in unterschiedlichen Phasen der digitalen Transformation. Doch wie finden sie kompetente Mitarbeiter, die Digitalisierungsstrategien entwickeln und umsetzen? Wirft man den Blick über Deutschland hinaus, so zeigt der Digital Economy and Society Index für digitale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten, dass beispielsweise Deutschlands Partner-Nation Estland schon jetzt für IoT-Projekte Personal, Technik, Know-how und Lösungen aus einer Hand anbieten kann. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen? Estland ist bekannt für seine Vorreiterrolle in puncto Digitalisierung. Das zeigen beispielsweise die Bürgerdienste, die die Baltenrepublik schon vor Jahren ins Internet verlegt hat und die zum großen Teil sogar automatisiert ablaufen. In „E-Estonia“, wie sich das Land gerne selbst nennt, lassen sich mehr als 3 000 Dienstleistungen – von Behörden und Unternehmen – durchgängig digital erledigen. Und diese Affinität wird auch in die Industrie übertragen. Entwicklungspartner in vielen industriellen Bereichen Schon Mitte der 90er Jahre hat Estland die Digitalisierung, das Tigersprung-Programm („Tiigrihüppe“), vom Verwaltungs- und Bildungswesen in die Industrie getragen. Aus diesem Grund sind estnische Unternehmen heute in vielen Bereichen Entwicklungspartner für deutsche und europäische Firmen. Die Branchen reichen von der Automobilzulieferindustrie, dem Energiesektor über die Anlagen- und Maschinenbauindustrie bis hin zu Unternehmen der Logistik, der Pharmazie und Chemie. All diese Branchen sind Vorreiter in der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen. Die Industrie-4.0- Lösungen aus dem baltischen Staat reichen von Predictive Analytics (datenbasierte Voraussagen), über Preventative Maintenance (vorbeugende Wartung- und Instandhaltung) bis hin zu Smart Factory 01 Triin Ploompuu ist Vorstandsmitglied des Verbands der estnischen Maschinenbauindustrie (intelligente Fabrik), Smart Logistics (intelligente Fertigung) und Prozessautomation. Mittlerweile exportiert Estland ihr Knowhow der digitalen Transformation in 120 Länder weltweit. „Estnische Maschinenbau-Unternehmen können durch ihre große Fertigungstiefe hochkomplexe Anforderungen mit Lösungen bedienen, inklusive der Auftragsproduktion“, erklärt Triin Ploompuu, Vorstandsmitglied des Verbands der estnischen Maschinenbauindustrie. Das entlastet die Kunden von Beschaffung, Supply-Chain-Management, Entwicklung und Produktion. Die Exportquote liegt bei 80 % bei einer Fertigung zu wettbewerbsfähigen Kosten. Predictive Analytics: Internet of Things in der Klimatechnik Fortschritte in Technologien wie Big Data, IoT und Machine Learning haben auch Predictive Analytics einen Schub gegeben. Aus umfangreichen Produktionsdaten gilt es, jene relevanten herauszufiltern, die zu Information und Wissen führen. Im besten Fall liefern Video-, Audio- und Sensor-Daten sowie Protokolldateien von Maschinen Erkenntnisse, die es der Fertigungsleitung ermöglichen, Prognosen zu erstellen oder auch kritische Situationen zu vermeiden, wie etwa durch vorgezogene Wartungs- und Reparaturarbeiten. Das deutsche Schiffbauunternehmen Rheinhold & Mahla hat mit dem estnischen Unternehmen Proekspert eine Anwendung entwickelt, die das Verfahren Predictive Analytics zur Energieeinsparung auf Schiffen nutzt. Diese Steuerungslösung optimiert durch eine sogenannte modellprädiktive Regelung die Klimatechnik an Bord, sodass sich der Stromverbrauch der HLK-Anlage um 10 % reduziert. Die modellprädiktive Regelung (Model Predictive Control = MPC) ist ein modernes Regelungsverfahren, das auf der Lösung dynamischer Optimierungs-

SZENE 02 Im Rahmen einer deutsch-estnischen Kooperation wurde eine Steuerungslösung entwickelt, die 10 % des Stromverbrauchs an Bord reduziert probleme basiert. Hierbei werden aus der Ferne Daten der Klimaanlage gesammelt, woraus verschiedene Steuerungsentscheidungen simuliert werden, etwa der Raumtemperatur-Sollwert. Die autonome, optimale Entscheidung wird dann an die lokale Steuerung der Klimaanlage übermittelt, d. h. menschliches Eingreifen ist nicht erforderlich. Dieses Modell der Klimatechnik ist zum Beispiel auch auf Fertigungsgebäude übertragbar. 03 Holzpellet-Produktion als Smart Factory: mit dem begehbaren Steuerstand von SBA lässt sich die gesamte Anlage überwachen 04 Transparenz in der Fertigung: ein Tracking-Netzwerk von Eliko erlaubt die Echtzeitverfolgung der Logistik-Fahrzeuge Smart Factory: Vorteile einer automatisierten Fertigung Eine andere Ausprägung einer Industrie 4.0 ist die sogenannte Smart Factory, eine intelligente vollautomatisierte Fabrik. Betrachten wir die Fertigung von Holzpellets, lässt sich über die gesammelten Daten in verschiedenen Prozessen der Holzpellet-Produktion (z. B. Trockung, Sieb- oder Matrizenpresse) die gesamte Anlage überwachen. Die Prozesse werden analysiert, optimiert und zur Diagnose von Problemen herangezogen. All diese Daten wie Temperatur, Druck oder Arbeitsfluss führt das Unternehmen SBA-Service aus Tallinn in einem vollständig ausgestatteten, begehbaren Steuer- und Leitstand zusammen. Von dort aus lassen sich Betriebsparameter automatisch anpassen oder auch individuell nachjustieren. Leiter einer Fertigung und Produktion finden so das ideale Ausstoß- und Kosten- Verhältnis, das sich besonders in Ländern mit hohen Energiekosten zu Buche schlagen kann. Per Fernwartung über das Internet werden von Estland aus neue Programme installiert, die Software aktualisiert oder die Anlage umprogrammiert. Von autonomen Kraftfahrzeugen bis hin zur Supply Chain Auch Bosch Thermotechnik vertraut in seinem Kompetenzzentrum für Warmwasserbereiter im portugiesischen Aveiro auf eine Lösung aus Estland. Bosch hat dort ein Tracking-Netzwerk mit Ultra-Weitband-Technologie installiert, das von dem estnischen Unternehmen Eliko entwickelt wurde, um in der Produktionshalle Logistikfahrzeuge zu orten und zu steuern. Das interne Logistikteam von Bosch weiß durch die Echtzeitverfolgung damit jederzeit, wie viele Fahrzeuge welche Komponenten und Materialien wohin transportieren. Diese Digitalisierung ermöglicht mehr Transparenz für eine schnellere Planung, eine bessere Routendefinition und eine höhere Effizienz; sie führen zu mehr Wirtschaftlichkeit, verkürzten Lieferzeiten und verbessertem Kundenservice. Kühne + Nagel als ein weltweit führender Anbieter von voll integrierten Supply-Chain- Lösungen setzt Smart Logistics in einer anderen Anwendung ein. Das estnische Software- und Beratunghaus Helmes hat in Kooperation mit Kühne + Nagel mehrere Tools Estland sieht im IoT einen klaren Nutzen – neue Lösungen, Partner und Investitionen werden daher gesucht und erforscht entwickelt, die die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kundensegmenten des Unternehmens erleichtern. Dazu zählt ein Effizienz- Tool für Straßentransportunternehmen und Beschaffungsmanager, das die Validierung von Kostenberechnungen für Straßentransporte von Subunternehmern unterstützt. Eine weitere Online-Lösung ermöglicht Anwendern weltweit, mit wenigen Klicks LCL-Angebote einzuholen (Less-than-Container-Load). Für Kunden, die temperaturempfindliche Güter in verschiedenen Transportarten zu befördern haben, etwa pharmazeutische Sendungen, nutzt Kühne + Nagel ein Instrument zur digitalen, lückenlosen Überwachung. Preventative Maintenance nicht nur für Systemintegratoren Besonders interessant werden Anwendungen des Internet of Things, wenn es um kostspielige Arbeiten wie Offshore-Einsätze auf Bohrinseln oder in Windparks geht. Derartige Reparaturen sind in der Regel mit großem Aufwand verbunden. Mit seinem Joint-Venture-Partner Sensorise aus Bremen hat Proekspert IoT-Anwendungen entwickelt, die z. B. in Flanschen, Windrädern und Wasserturbinen eingesetzt werden. Diese smarten Anwendungen erheben Daten und Informationen für die vorbeugende Wartung, um die Betriebssicherheit und Lebensdauer der Geräte und Anlagen zu erhöhen und Kosten zu senken. So überwachen Sensoren kritische Schrauben in Windrädern. Sie helfen den Betreibern Betriebsdaten zu erheben, und Schraubenproduzenten hingegen erhalten tieferen Einblick in die Produktqualität und können Rückschlüsse auf die Materialbeschaffenheit ziehen. Synergien nutzen: Zugang für deutsche Unternehmen „Im B2B-Kontext hat die digitale Transformation oftmals anwendungs- und kundenspezifische Merkmale“, sagt Triin Ploompuu. „Sie ist eingebettet in komplexe Produktions- und Automatisierungsprozesse und stellt besonders kleine und mittelständische Unternehmen vor große Herausforderungen. Wichtig ist es daher, die richtigen Partner für komplexe Aufgaben zu finden.“ Einen Überblick über IoT-Lösungen aus Estland bietet die deutschsprachige Website mit Beispielen aus verschiedenen Branchen. Fotos: 01 Enterprise Estonia, 02 Proekspert, 03 SBA Service, 04 Eliko www.tradewithestonia.com/de www.industrielle-automation.net INDUSTRIELLE AUTOMATION 01/2021 9