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Industrielle Automation 1/2018

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Industrielle Automation 1/2018

STEUERN UND ANTREIBEN I

STEUERN UND ANTREIBEN I TITEL Toptechnologie für Top-Antriebe LIVE@ Automatisierungssystem optimiert Sicherheit und Produktivität in Antriebs-Prüfständen Hersteller von Topmarken in der Automobilindustrie greifen ausschließlich auf Zulieferer zurück, die auch Topqualität liefern, wie das im westflämischen Zedelgem ansässige Unternehmen Tremec. Als Spezialist hochwertiger Antriebe für die Sportwagenindustrie werden dort Prüfstände selbst entwickelt, inklusive der Sicherheitslösung – und das auf rasant hohem Niveau. Kwinten Cantraine, Business Development Manager bei Pilz Belgium Safe Automation in Gent/Belgien Für die Automatisierung seiner Prüfstände hat sich der Automobilzulieferer den Automatisierungsexperten Pilz mit ins Boot geholt, der auch für das dazugehörige Sicherheitskonzept verantwortlich zeichnet. Technisches Herz ist das Automatisierungssystem PSS 4000, das in den Prüfständen sowohl sicherheitsgerichtete wie nicht sicherheitsgerichtete Aufgaben übernimmt. Die innovative Automatisierungstechnik ist ein Muss für den Automobilzulieferer, denn die Fokussierung auf das Sportwagensegment – also Antriebe für High-end – birgt produktionstechnische Herausforderungen. Grund ist die häufig sehr begrenzte Stückzahl bei Premiumsportwagen, die bei einigen exklusiven Modellen auf 5 000 Stück pro Jahr oder sogar weniger begrenzt ist. Daher muss Tremec absolut flexibel mit Blick auf Prüfstände und Produkte reagieren können. Kein Standard ist Standard Tremec ist mit Blick auf die Sportwagensparte praktisch auf eine Marktnische hin orientiert, was den Einsatz von Standardprüfständen schwierig bis unmöglich macht. Sie erfüllen schlichtweg nicht die erforderlichen Anforderungen. Im Speziellen sind dies Dynamik, Leistung und/oder Geschwindigkeit, die Standard-Prüfstände nicht abdecken können. Der Automobilzulieferer hat reagiert und eine eigene Abteilung „Test Bench Development“ etabliert, die sich ausschließlich mit Entwicklung und Bau des für die jeweilige Anforderung passenden Prüfstandes beschäftigt. Test Bench Development kann vom nur für ein einziges Modell hergestellten Antriebs-Prüfstand bis hin zum Prüfstand für mehrere Antriebe grundsätzlich flexibel auf unterschiedlichste Kundenanforderungen reagieren. 18 INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2018

TITEL I STEUERN UND ANTREIBEN und Zweck ist es, einen Prüfstand zu erhalten, der das sogenannte „First Feeling“ des Lenkers bestmöglich simulieren kann“, so Pieter Meseure. „Die Risikoanalyse machte deutlich, dass wir für diese Anwendung die höchste Sicherheitsstufe einhalten müssen, nämlich PL e“, bringt Meseure das Ergebnis auf den Punkt. „First Feeling“ gibt vor „Dabei sind die von Tremec durchgeführten Tests sehr unterschiedlich“, erklärt Pieter Meseure, Technical Lead Lab and Prototyping bei Tremec. „Manche Tests führen wir durch, um Anpassungen unseres eigenen Engineerings zu überprüfen. Andere Tests werden uns von den Automobilherstellern auferlegt, in diesem Fall müssen wir bestimmte Kriterien bzw. Leistungen nachweisen.“ Die Testkriterien sind darüber hinaus sehr breit gefächert: Geschwindigkeit und Drehmoment sind „nur“ Basisgrößen. „Aber das Drehmoment besitzt zum Beispiel minimale Oszillationen, aus denen man Frequenzbereiche generieren kann. Wenn man diese analysiert, kann man noch genauere Werte kreieren“, fügt Meseure hinzu. Tremec entwickelt auch die Motoren für die Prüfstände in enger Abstimmung mit den Zulieferern und entwirft beispielsweise das Design der Schaltschränke selbst. „Sinn Antriebe „von der Stange“ gibt es nicht Das Anpassen von Originalteilen bedeutet immer auch, dass die Sicherheitsstruktur neu betrachtet werden muss. Die Umwandler sind ein Beispiel dafür. Tremec kauft diese zwar zu, ersetzt deren Steuerplatinen aber durch eigene, selbst entwickelte Leiterplatten. „Würden wir die Ori ginalleiterplatten verwenden, dann wären wir auf 1 kHz für die Ansteuerung beschränkt, dies ist die Beschränkung für industrielle Buchsen“, nennt Meseure den Grund für die Modifikation. Die Ansteuerungen und die dahinterliegenden Leistungsteile können aber viel höhere Frequenzen bewältigen: „Dadurch, dass wir angepasste Leiterplatten verwenden, haben wir mehr Kontrolle über die Leistungsteile, die dahinterliegen, und können sie bis zu ihrer vollen Kapazität einsetzen“, beschreibt er den Nutzen. Anpassungen erfordern Neubetrachtung von Sicherheit Das Anpassen von Originalleiterplatten hat aber auch Folgen für die Sicherheit. Pieter Meseure: „Wir können nicht mehr alle inhärenten Sicherheitsfunktionen, die an den alten Leiterplatten vorhanden waren, selber an die neuen anpassen“, so Meseure. An dieser Stelle kam das Know-how des Experten für die sichere Automation aus Ostfildern ins Spiel: „Pilz kannten wir schon, die konfigurierbare Kleinsteuerung PNOZmulti hatten wir bereits im Einsatz“, berichtet er. Jetzt aber sollte das gesamte Sicherheitskonzept, das heißt alle Funktionalitäten, betrachtet werden. Sicherheitskonzept darf keine Lücken offenlassen Die Risikoanalyse, aus der sich die zu treffenden Maßnahmen ergeben, war Ausgangspunkt der CE-Kennzeichnung. Die Maßnahmen wiederum definierten, wie die Implementierung des Projekts umgesetzt wird – wie das Gehäuse eingebaut Das Automatisierungssystem PSS 4000 ist modular erweiterbar und lässt sich so flexibel auf zukünftige Veränderungen unserer Prüfstände anpassen. Damit sind wir für einen Sportwagen, der 2019 vorgestellt wird, bestens gerüstet. Pieter Meseure, Technical Lead Lab and Prototyping bei Tremec sowie die Steuerung eingesetzt und schlussendlich auch welche Software im System laufen wird. Danach muss – als Teil des CE-Konformitätsbewertungsverfahrens – alles überprüft werden. Pieter Meseure bestätigt: „Die CE-Kennzeichnung beizubehalten, war das langfristige Ziel. Da auch hier intern kein ausreichendes Fachwissen rund um Sicherheit vorhanden war, hat Pilz als akkreditierte Stelle das gesamte Konformitätsbewertungsverfahren übernommen.“ Experten für Sicherheit mit ins Boot holen „Das Fachwissen von Pilz half uns auch dabei, Sicherheitsprobleme zu erkennen, an die wir selbst nicht gedacht hätten. Das Sicherheitskonzept rund um die Überwachung der Testzellen ist ein solches 01 Das Automatisierungssystem PSS 4000 sorgt bei Tremec dafür, dass Prüfstände für Antriebe produktiv und sicher arbeiten INDUSTRIELLE AUTOMATION 1/2018 19